Die Maurin
ihrer Halbschwester die Hand auf den Arm. Nach einem Moment des Zögerns nickte Hayat. Zahra atmete auf, aber als ihre Halbschwester sogleich den Blick abwandte, beschlich sie die Furcht, dass sie nur zugestimmt haben könnte, um sie zu beruhigen – und dieser Gedanke ließ sie nicht wieder los.
In den nächsten Tagen ließ Zahra Hayat keinen Moment aus den Augen, aber dann musste sie wieder für drei Tage in die Alhambra zu Aischa und wagte nicht, Tamu zu bitten, auf ihre Halbschwester zu achten. So treu die alte Dienerin den Mädchen ergeben war – ihrem Herrn war sie ebenfalls treu, und wenn sie geahnt hätte, welche Ideen in Hayats ebenso hübschem wie verwirrtem Kopf herumgeisterten und was sie schon alles gewagt hatte, würde sie fraglos die Partei ihres Herrn ergreifen. Bevor Zahra zu Aischa ging, redete sie noch einmal auf Hayat ein, schien aber wiederum nicht zu ihr durchdringen zu können. Als der Eunuch Kafur sie abholte, verließ sie das Haus mit einem unguten Gefühl. In der Tat fand sie Hayat, als sie drei Tage später am frühen Abend wiederkam, weinend in ihrem Zimmer vor. Hastig schloss Zahra die Tür. »Du hast es nicht getan, oder? Sag mir bitte, dass du ihm nicht geholfen hast!«
»Ich wollte es, gestern Abend, aber …«, Hayat schluchzte auf, »aber ich konnte das Haus nicht zur vereinbarten Zeit verlassen, weil jemand Raschids Pferd gebracht hat und danach heillose Aufregung herrschte.«
»Raschids Pferd?« Zahra sank neben sie auf ein Sitzkissen. »Und Raschid? Haben sie ihn gefunden?«
Hayat schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Das Pferd war völlig zerschunden. Es muss in den letzten Wochen allein durch die Vega geirrt sein, bis es endlich den Weg zurück nach Hause gefunden hat. Zubair hat erzählt, dass am Sattel getrocknetes Blut klebte. Deborah konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen, und dann hat sie auch noch Wehen bekommen.«
»Aber ihr Kind soll doch erst in vier Monaten kommen!«
»Der Arzt hat ihr irgendein Gebräu eingeflößt, und gegen Morgen haben die Wehen Gott sei Dank aufgehört; die letzten Wochen bis zur Niederkunft wird Deborah allerdings liegend verbringen müssen. Auch ein leichtes Schlafmittel hat sie bekommen. Wir sollen sie jetzt erst mal schlafen lassen. Und Miguel …« Hayat wischte sich die Tränen von den Wangen. »Er wusste von alldem ja nichts und damit auch nicht, warum ich gestern Abend nicht zu unserem Treffpunkt gekommen bin, und heute früh haben die Diener der Nachbarn den unseren erzählt, dass ein Sklave entflohen ist. Zahra, bestimmt ist dieser Sklave Miguel! Wahrscheinlich hat er die Nerven verloren, weil er dachte, ich würde ihm nicht helfen!«
Zahra erblasste. »Aber ohne andere Kleider hat er doch erst recht keine Chance, lebend aus der Stadt zu kommen!«
Schluchzend sank Hayat in Zahras Arme.
Zahra hatte vor allem Angst, dass sich Hayat auf die Suche nach Miguel machen könnte. »Jetzt warte erst einmal ab, ob der flüchtige Sklave in der Tat Miguel ist«, versuchte sie ihre Halbschwester zu beschwichtigen. »Und selbst wenn: Vielleicht gelingt ihm die Flucht ja doch, und er kommt dich eines Tages tatsächlich holen. Für den Moment kannst du nicht mehr tun, als für ihn zu beten!«
Als Hayat sich ein wenig beruhigt hatte, versuchte Zahra sie mit dem neusten Klatsch aus dem Palast auf andere Gedanken zu bringen. Als es zu später Stunde an die Haustür klopfte, sprang Hayat auf und eilte hinaus auf die Galerie, um zu hören, wer der Besucher war. Zahra folgte ihr. Schon kurz darauf hallte eine kreischende Stimme zu ihnen hoch.
»Ich kenne nur eine Frau mit einem solch grauenhaften Organ«, flüsterte Zahra Hayat zu. »Durriyyah, die alte Dienerin unserer Nachbarn!«
Hayat nickte. Sie hörten, wie Durriyyah Tamu fragte, ob ihre Herrschaften sich am Wochenende zwei Diener der Sulamis ausleihen könnten, weil sie ein großes Festessen gäben. Tamu bat sie, in der Küche Platz zu nehmen, während sie Leonor die Bitte vortragen ging.
Hayat machte Anstalten, nach unten zu eilen. Zahra packte sie am Arm. »Geh wenigstens langsam!«, zischte sie ihr zu. »Am besten tun wir so, als wollten wir etwas zum Naschen suchen.«
Durriyyah saß bereits am Küchentisch, wo sie ein frisch gebackenes Honigküchlein genoss und von dem entlaufenen Sklaven erzählte. »Und geklaut hat er auch noch«, dröhnte sie mit vollem Mund. »Meinem Herrn fehlen etliche Goldmünzen, und der Diener, den er bei seiner Flucht niedergeschlagen hat,
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