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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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einem Mal brannte Zahra das Tuch mit den blutstillenden Kräutern wie Feuer in der Hand. Und wenn ich Miguel schnell ein paar Kräuter zustecke?, fragte sie sich. Die Hebamme hat mir schließlich weit mehr mitgegeben, als Tamu brauchen wird …
    Sie warf einen Blick zu den Wachsoldaten. Entspannt lehnten die am Stamm der Pinie und aßen Mandelpasteten, die ihnen eine alte Händlerin verkauft hatte, und unterhielten sich mit ihr. Zahra ging um die nächste Straßenecke, wickelte den Großteil der Kräuter in eine Ecke ihres Hidschabs, ließ den Rest in dem Tuch, das die Hebamme ihr gegeben hatte, knotete es zu und ging zurück auf den Platz. Als sie an Miguel vorbeikam, ließ sie das Tuch fallen.
    »Zerreibt die Kräuter, legt sie auf Eure Wunde und lasst Euch mit dem Tuch einen Druckverband machen«, zischte sie ihm zu.
    »Ihr bringt Euch um Kopf und Kragen«, knurrte Miguel, schob das Tuch mit den Kräutern aber doch geschwind hinter sich.
    »Ich komme heute Nacht wieder«, flüsterte Zahra ihm zu und entdeckte unter den Gefangenen ein zweites ihr bekanntes Gesicht: Gonzalo. Matt lehnte sein Kopf gegen die Wand in seinem Rücken. Wie magisch angezogen, schritt sie auf ihn zu, doch dann drückte sich einer der Wachsoldaten von der Pinie ab und rief ihr etwas zu. Erschrocken drehte sich Zahra um und eilte nach Hause.
     
    Den ganzen Tag über wurde Leonor von heftigen, immer schneller aufeinanderfolgenden Wehen gequält, doch erst nach Mitternacht erblickte ein kleiner, blut- und schleimverschmierter Kopf das Licht der Welt. Mit der nächsten Wehe folgte ein kräftiger kleiner Körper mit den untrüglichen Zeichen von Männlichkeit. Tamu durchtrennte die Nabelschnur und gab dem Kleinen einen Klaps auf den Po. Sofort erklang ein durchdringendes Krähen. Sie tauschte mit Leonors Töchtern ein Lächeln purer Freude, wusch den neuen Erdenmenschen und bettete ihn behutsam in die Arme seiner erschöpften Mutter. »Euer Mann wird stolz auf Euch sein!« Leonor brauchte einen Moment, bis sie die Kraft fand, den Kopf so weit anzuheben, dass sie ihr Kind ansehen konnte. Tränen des Glücks traten ihr in die Augen, als sie ihn auf seinen zarten Haarflaum küsste. »Sag Abdarrahman, dass ich ihn liebe«, bat sie Tamu mit matter Stimme, »und dass ich möchte, dass unser Sohn Mahdi heißt.«
    »Das werdet Ihr ihm selbst sagen können, Herrin!«
    Zahra sah Tamu fragend an. Die Worte ihrer Mutter hatten ihr noch mehr Angst gemacht als die äußerst langwierige und kräftezehrende Geburt. Tamu hob die Augenbrauen, nickte Zahra dann aber ermutigend zu. Trotzdem blieb Zahra unruhig. Sie half Tamu, ihrer Mutter etwas von dem sorgsam zubereiteten Hirtentäschelaufguss einzuflößen, und sah zu, wie Tamu ihr anschließend den kleinen Mahdi an die Brust legte. Zunächst quäkte und greinte der kleine Kerl jämmerlich, aber als Tamu ihm mit Leonors Brustwarze um den Mund fuhr, schnappte er zu, und augenblicklich verwandelte sich sein Jammern in zufriedenes Schmatzen. Tamu flüsterte den Mädchen zu, dass sie schlafen gehen sollten. »Wir alle brauchen jetzt erst einmal Ruhe!«
    Hayat und Zainab rollten sich bereitwillig auf den Teppichen zusammen, Zahra aber griff nach ihrem Hidschab.
    »Ich kann jetzt nicht schlafen. Lass mich ein paar Schritte vor dem Haus auf und ab gehen, bitte, Tamu!«
    Tamu hob verwundert die Augenbrauen, ließ sie aber gehen.

10.
    Loja
    15 . Juli 1482
    I m Schutz der Nacht und tief in ihren Hidschab gehüllt, huschte Zahra durch die menschenleeren Gassen. Die Hitze des Tages war einem wohltuenden Wind gewichen, den sie jedoch kaum wahrnahm. In ihren Gedanken war sie schon bei Miguel – und bei Gonzalo. Mein Gott, dachte sie, warum hast du die beiden gerade hierhergeführt? Was hast du vor mit uns?
    Die Wachsoldaten hatten es sich wieder unter der Pinie bequem gemacht. Der eine hatte sich zum Schlafen ausgestreckt, der andere saß mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt und hatte, soweit Zahra das im Mondlicht erkennen konnte, ebenfalls die Augen geschlossen. Auch die meisten Gefangenen schliefen. Gonzalo hatte ein Bein von sich gestreckt, das andere angezogen, die Arme mit den zusammengebundenen Händen darübergebreitet und den Kopf seitlich daraufgebettet. Als sie näher kam, konnte sie sein Gesicht sehen. Die dunkelbraunen Locken klebten vom Schweiß des Tages an den Schläfen und der Stirn. Zahra war versucht, darüberzustreichen und sie zu lösen, erschrak über sich selbst und eilte weiter zu Miguel. Als

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