Die Maurin
und dem Nachbarhaus, dessen strohgedecktes Dach in Flammen aufging. Schreiend flüchtete sich Zainab zu ihrer Mutter und klammerte sich an sie. »Warum hat Vater uns nur hergebracht? Jetzt werden wir alle sterben!«
»Scht, mein Kind, ruhig, ruhig!« Leonor strich ihrer jüngsten Tochter beschwichtigend über das Haar. »Ali al-Attar heißt nicht umsonst der Löwe von Loja. Um ihn zu bezwingen, muss mehr geschehen, als dass ein paar Brandpfeile über die Mauer fliegen!«
Als sich Zainab wieder beruhigt hatte, erhob sich Leonor, um selbst aus dem Fenster zu sehen. Sie lehnte sich an die Wand und drückte sich die Hände in den Rücken.
»Solltet Ihr nicht lieber ruhen?«, fragte Zahra besorgt.
Leonor antwortete nicht, sondern sah weiter hinaus. Da trafen zwei Brandpfeile das Maschrabiya-Gitter vor ihrem Fenster, das binnen Sekunden Feuer fing; Flammen leckten gierig ins Zimmer hinein und setzten die Vorhänge in Brand. In Panik kreischten Ali al-Attars Frauen und Töchter durcheinander: »Feuer, Feuer, wir werden alle verbrennen! Hilfe, so helft uns doch, wir müssen hier heraus!«
Sofort öffneten die beiden Eunuchen, die vor dem Harem Wache hielten, die Doppelflügeltür; aus dem unteren Stockwerk stürmten Soldaten hoch. Eilig führten die Eunuchen die Frauen nach unten, während die Soldaten eine Löschkette organisierten. Zahra und Tamu fassten Leonor unter und geleiteten sie nach unten, sorgsam darauf bedacht, dass keine der hysterischen Frauen sie oder ihren Bauch anstieß. Auch Ali al-Attar selbst eilte herbei. Mit einer allen Lärm und jedes Geschrei übertönenden Stimme befahl er, das Küchenpersonal in die Löscharbeiten einzubeziehen und seine Frauen und Töchter in das nahe gelegene Haus eines Freundes zu bringen. Ohne erkennbare Erregung oder Nervosität ging der hochgewachsene, für sein betagtes Alter noch erstaunlich kraftvolle Mann zu Leonor und breitete seine Pranke so behutsam über ihre zierlichen Schultern, als sei sie ein kleines Vögelchen, das er zu erdrücken befürchtete. »Ihr braucht keine Angst zu haben, Leonor, Euch wird nichts geschehen. Meine Soldaten bringen Euch zu einem Haus, das weit hinter den Festungsmauern liegt. Großen Komfort werdet Ihr dort zwar nicht finden, aber Ihr werdet ruhiger und sicherer sein als in jedem anderen Haus des Ortes!«
Leonor nickte und rieb sich über den Rücken.
Ali al-Attar sah Leonor eindringlich an. »Könnt Ihr bis zu dem Haus laufen?«
»Ich bin nicht krank, sondern erwarte nur ein Kind«, erwiderte Leonor und schaffte es sogar, ein kokettes Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern. Zahra zog ihre heftig weinende Schwester an sich. »Beruhige dich, Zainab, es ist uns doch gar nichts passiert!«
Ali al-Attar ordnete vier Soldaten zu ihrer Begleitung ab. »Ich sehe am Abend nach Euch«, versprach er Leonor zum Abschied. »Seid gewiss, dass wir die Christen schnell wieder vertreiben werden. Schon in wenigen Tagen könnt Ihr in den Palast zurückkehren!«
Inzwischen hatten auch andere Häuser in der Nähe der Stadtmauer Feuer gefangen. Dunkle Rauchschwaden und große Hitze schlug den Flüchtenden entgegen. Unweit von ihnen brach ein brennendes Dach ein. Wimmernd klammerte sich Zainab an Zahra. Hayat und Tamu wollten Leonor stützen, was diese jedoch ablehnte. Sie schritt so aufrecht und entschlossen voran, dass Zahra ganz unbehaglich zumute wurde.
»Herrin, das schnelle Gehen ist nicht gut für Euch!«, warnte auch Tamu, doch Leonor winkte unwillig ab. »Je eher wir von hier wegkommen, desto schneller entfliehen wir dieser Gluthitze!«
Nach einem knappen Kilometer erreichten sie das kleine, nur aus einem dürftig eingerichteten Zimmer bestehende Haus. Eifrig raffte Tamu ein paar Kissen zusammen, richtete Leonor damit einen bequemen Platz auf dem Diwan her und bat sie, sich hinzulegen. Leonor lächelte über ihre Besorgnis, tat aber doch, worum Tamu sie gebeten hatte.
Da sie kaum noch etwas von dem Schlachtenlärm hörten, beruhigte sich auch Zainab. Sie sah sich in dem Zimmer um und verzog den kleinen Mund zu einem missvergnügten Schippchen. »Hier sollen wir bleiben?«, maulte sie. »In einem mit nichts als einem verblichenen Diwan, ein paar Sitzkissen und alten Teppichen ausgestatteten Haus?«
»Wenn es dir nicht genehm ist, kannst du ja den Soldaten nachlaufen und dich von ihnen wieder in das brennende Haremszimmer bringen lassen!«, zischte Zahra ihr ärgerlich zu. »Sei lieber froh und dankbar, dass Ali al-Attar uns so weit
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