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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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ihr die Richtung mit dem Kinn. »Er sitzt da hinten, unter dem Fenstersims.«
    Als Zahra bewusst wurde, dass er Gonzalo meinte, zog sich ihr Magen zusammen. »Was … wo ist er denn verletzt?«
    »Sein Pferd hat ihn unter sich begraben. Vor allem das Bein hat es schlimm erwischt. Das zumindest haben mir die anderen erzählt.«
    Zahra erhob sich und schlich zurück zu Gonzalo. Erst jetzt fiel ihr auf, dass auf den Pflastersteinen unter dem ausgestreckten Bein getrocknetes Blut schimmerte. Wieder verspürte sie den Wunsch, seine schweißverklebten Locken aus der Stirn zu streichen, tippte ihn aber nur leicht am Arm an. Als er nicht wach wurde, umfasste sie seine Schulter und rüttelte sie leicht. Gonzalo stöhnte, hob aber nicht den Kopf.
    »Der ist so gut wie hinüber«, wisperte sein Nachbar. »Wir haben dem Wachsoldaten schon gesagt, dass er einen Arzt braucht, aber der hat uns daraufhin nur Tritte verpasst.«
    Zahra sah den Sprecher an. Sie schätzte, dass er jünger war als sie. Sicher war dies seine erste Schlacht gewesen. Als sein Blick wieder zu Gonzalo ging, flackerte in seinen Augen Grauen auf. »Wie können sie uns hier einfach so verrecken lassen?«
    Zahra schluckte. Behutsam tastete sie Gonzalos Bein ab. Sie erfühlte einen Knochenbruch im Oberschenkel und sah, dass seine wollenen Beinlinge an einer Stelle am Unterschenkel blutdurchtränkt und aufgerissen waren. Sie hob die Stofffetzen an und entdeckte darunter einen Teil der Kräuter, die sie Miguel am Mittag gegeben hatte.
    »Die habe ich ihm aufgelegt. War gar nicht so einfach mit den zusammengebundenen Händen. Ich hoffe, das war richtig«, wisperte der junge Mann. »Und Wasser habe ich ihm auch eingeflößt, allerdings schluckt er immer weniger davon. Beim letzten Mal ist ihm alles über das Kinn gelaufen …«
    Zahra nickte ihm beruhigend zu. »Ihr habt alles richtig gemacht. Ohne Flüssigkeit wäre er in noch viel schlechterem Zustand. Gebt ihm auch weiter Wasser, je öfter, desto besser!«
    Behutsam wischte Zahra die Kräuterauflage ab. Auch wenn sie in dem Mondlicht nicht viel sehen konnte, schien ihr die Wunde doch erschreckend tief zu sein. Sie zog sich vom Schienbein bis unter die Wade. Ein sauberes Tuch hatte Zahra nicht mehr. Kurz entschlossen nahm sie ihren Hidschab ab und reinigte die Wunde damit. Gonzalo stöhnte auf, kam aber nicht zu sich. Ängstlich sah Zahra zu den Wachen, doch die rührten sich nicht. Anschließend legte sie Kräuter auf die Wunde und befühlte Gonzalos Stirn. Sie war noch heißer als sein Bein.
    »Was soll ich denn machen, wenn er hier neben mir krepiert?«, zischte ihr der junge Mann mit angstvoll geweiteten Augen zu. »Ich kann doch nicht die Nacht neben einem Toten verbringen!«
    »Er wird nicht sterben, zumindest nicht, wenn Ihr ihm weiter reichlich Wasser einflößt«, versprach Zahra ihm, obwohl sie die gleiche Befürchtung hatte. Verzweifelt überlegte sie, was sie noch für ihn tun könnte, aber ihr fiel nicht ein, wie sie ihm an diesem Ort helfen könnte.
    »Haltet durch«, flüsterte sie Gonzalo zu, konnte dann der Versuchung nicht widerstehen, ihm doch die Locken von der Stirn und den Schläfen zu lösen, und schlich so lautlos davon, wie sie gekommen war.
     
    Am nächsten Morgen wirkte Leonor frisch und ausgeruht, woraufhin Tamu die Prognose wagte, dass sie das Schlimmste überstanden habe und jetzt schnell wieder zu Kräften komme. Auch der kleine Mahdi war putzmunter. Hayat und Zainab konnten sich gar nicht sattsehen an ihm, und wenn Tamu ihnen nicht Einhalt geboten hätte, hätten sie ihn wohl in einem fort von einer zur anderen gereicht, um ihn zu drücken und zu herzen.
    Zahra dagegen musste ständig an Gonzalo denken und suchte verzweifelt nach einem Vorwand, um das Haus verlassen zu können, doch Tamu brauchte keine weiteren Kräuter, und alles andere wurde ihnen von Ali al-Attars Dienstboten ins Haus gebracht.
    Am späten Vormittag betrat Ali al-Attar selbst ihr kleines Haus. Er gratulierte Leonor zu ihrem jüngsten Stammhalter und erklärte ihr stolz, dass seine Truppen die Brücke und die Anhöhe vor der Stadt von den Kastiliern zurückerobert hatten. »Bald sehen wir von den Christen nur noch die Staubfahne ihrer fliehenden Pferde!« Er stellte in Aussicht, dass sie schon am nächsten Tag wieder in sein Haus zurückkehren könnten, dann eilte er weiter.
    Erst eine Stunde nach dem Mittagessen schlief Zahras Mutter ein, und kurz darauf legten sich auch Zainab, Hayat und Tamu noch einmal hin,

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