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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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zu ahnen, wer sie war. Warnend schüttelte er den Kopf und wies mit dem Kinn auf die Soldaten, die gnadenlos die Gefangenen mit Stöcken, Lanzen und Schwertern vor sich hertrieben. Zahra sah ein, dass sie sowohl Miguel als auch sich in Gefahr bringen würde, wenn sie versuchte, mit ihm zu sprechen. Sie beschloss weiterzugehen, folgte dann aber doch dem Gefangenentransport. Zumindest wollte sie herausfinden, wohin man sie brachte. Sie hoffte inständig, dass die Geburt ihres Geschwisterchens nicht so schnell vonstattengehen würde, dass man die Dinge, wegen deren Tamu sie ausgeschickt hatte, schon jetzt benötigte.
    Die Soldaten führten die Gefangenen zu einem großen Platz unweit des Hauses, in dem Ali al-Attar Zahra und ihre Familie untergebracht hatte. In einer der Häuserwände waren Eisenringe eingelassen. Die Soldaten zogen einen dicken Strick hindurch und banden die Gefangenen daran fest. Zwei Soldaten blieben zu ihrer Bewachung zurück. Zahra sah, wie sie die Gefangenen mit Stockschlägen und Tritten dazu brachten, enger zusammenzurücken und sich hinzusetzen. Anschließend flüchteten sie vor der prallen Sonne in den Schatten der Pinie in der Mitte des Platzes und unterhielten sich mit dem Rücken zu den Gefangenen. Zahra huschte zu Miguel. »Ihr könnt wohl gar nicht genug von uns kriegen?«, flüsterte sie ihm auf Spanisch zu, ohne die Wachsoldaten aus den Augen zu lassen.
    »Eigentlich hatte ich mir einen anderen Ausgang des Ganzen erträumt.« Miguel verzog das Gesicht zu einem säuerlichen Grinsen. »Hayat ist hier in Loja, nicht wahr?«
    »Woher wisst Ihr das?«, rief Zahra erstaunt.
    »Sagt ihr bitte nicht, dass Ihr mich gefunden habt. Ich …« Er verstummte, aber Zahra ahnte, was er sagen wollte, und sie begriff, was ihn in die Schlacht um Loja getrieben hatte.
    »Geht«, bat er sie. »Ihr bringt Euch in Gefahr!«
    Zahra nickte, konnte sich aber nicht losreißen. Sie bemerkte das Blut am Ärmel von Miguels Gambeson, dem gesteppten Gewand, das Ritter zum Schutz gegen Quetschungen und Hautabschürfungen unter dem Kettenhemd und der Rüstung trugen. »Ihr seid verletzt!«
    Miguel sah sie drängend an. »Ich bitte Euch; so geht doch!«
    Zahra musste an ihre Mutter denken. »Aber ich komme später wieder!«
    Miguel schüttelte den Kopf. »Vergesst mich!«
    Einer der Soldaten drehte den Kopf und sah zu ihnen. Hastig ging Zahra weiter. Selbst als sie schon um die nächste Ecke verschwunden war, brannten ihr die Blicke der Soldaten noch im Rücken.
     
    Als Zahra zurück in ihr Häuschen kam, durchlitt ihre Mutter gerade eine Wehe. Sie biss die Zähne zusammen und krallte ihre Finger in die Kissen. Sie war schweißüberströmt und leichenblass.
    »O Herrin«, stöhnte Tamu. »Warum lasst Ihr den Schmerz nicht heraus? Es würde die Geburt viel leichter für Euch machen. Dass ihr Christenfrauen immer so entsetzlich tapfer sein müsst!«
    Als Tamu Zahra bemerkte, blitzte diese sie wütend an. »Wo bleibt Ihr denn so lange?«
    Fordernd streckte sie die Hand in Zahras Richtung. Hastig reichte Zahra ihr die gewünschten Dinge, die sie von einer Frau bekommen hatte, die zu alt und gebrechlich war, um sich an den Löscharbeiten zu beteiligen.
    »In der Stadt geht alles drunter und drüber«, entschuldigte sich Zahra errötend. »Kann ich noch etwas für Mutter tun?«
    »Ich brauche später blutstillende Kräuter, am besten Hirtentäschel und Frauenmantel. Versucht einen Arzt oder eine Hebamme zu finden und lasst Euch von ihnen die Kräuter geben. Aber bleibt nicht wieder so lange weg!«
    Zahra nickte. Auf dem Weg zur Tür fiel ihr Blick auf Hayat. Bang schaute sie zu ihrer Stiefmutter und redete zugleich auf die weinende Zainab ein. »So wein doch nicht, es wird alles gut, glaub mir!«
    In ihrer Stimme klang mehr Angst als echte Überzeugung, so dass Zahra noch einmal zu Leonor blickte. Mutter, flehte sie stumm, Ihr müsst es schaffen, Ihr müsst! Als sie bei der nächsten Wehe zwischen zusammengebissenen Zähnen weinerlich aufstöhnte, machte Zahra sich eilig auf den Weg.
     
    Nach langem Herumfragen fand sie eine Hebamme, die gerade selbst einer Gebärenden beistand, ihr aber gern die von Tamu benötigten Kräuter überließ. Sofort machte sich Zahra auf den Rückweg, wobei sie an dem Platz mit den Gefangenen vorbeikam. Sie sah, dass sich Miguel inzwischen den Ärmel seines Gambeson aufgerissen hatte. Als sie näher kam, konnte sie auch die tiefe, noch immer blutende Stichwunde in seinem Oberarm erkennen. Mit

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