Die Mausefalle
Kellnerin, die Augen träumerisch zur Decke gerichtet.
»Dann nehme ich das Rindfleisch in Curry«, sagte James.
»Rindfleisch in Curry gibt es nicht mehr.«
»Gibt es vielleicht irgendetwas auf dieser dämlichen Speisekarte, das nicht aus ist?«, schnaubte James. Die Kellnerin verzog gequält das Gesicht und deutete mit einem blässlich grauen Zeigefinger auf das Hammelfleisch mit Bohnen. James schickte sich ins Unvermeidliche und bestellte Hammelfleisch mit Bohnen. Noch immer innerlich bebend vor Zorn über den miserablen Service in gewissen Lokalen zog er die Hand mit dem Stein aus der Tasche. Er öffnete die Faust und warf einen zerstreuten Blick auf den Gegenstand darin. Dann fuhr ihm ein Schock durch die Glieder, der ihn alles andere vergessen ließ, und er starrte mit weit aufgerissenen Augen. Das Ding, das er in der Hand hielt, war kein Kieselstein, es war ohne allen Zweifel ein Smaragd, ein riesiger grüner Smaragd. James betrachtete ihn voll Entsetzen. Nein, das konnte kein Smaragd sein, bestimmt war es bloß gefärbtes Glas. Es konnte unmöglich einen Smaragd in dieser Größe geben, es sei denn – vor James’ Augen tanzten plötzlich Druckbuchstaben: »Der Radscha von Maraputna – berühmter Smaragd – von der Größe eines Taubeneis«. War es – war es etwa dieser Smaragd, den er hier vor Augen hatte? Die Kellnerin kam mit seinem Hammelfleisch, und James schloss krampfhaft die Finger. Heiße und kalte Schauer liefen ihm abwechselnd über den Rücken. Er hatte das Gefühl, in ein fürchterliches Dilemma geraten zu sein. Wenn dies jener Smaragd war – aber war er es denn auch? Konnte er es überhaupt sein? Angstvoll spähte er in die halb geöffnete Faust. James war kein Fachmann für Juwelen, aber der tiefe, leuchtende Glanz des Steins überzeugte ihn endgültig von dessen Echtheit. Er stützte sich auf beide Ellenbogen und starrte blind auf den Hammelfleisch- und Bohneneintopf, der in der Schüssel vor ihm langsam erkaltete. Er musste unbedingt nachdenken. Wenn dies der Smaragd des Radschas war, was sollte er damit tun? Das Wort »Polizei« kam ihm in den Sinn. Wenn man etwas Wertvolles fand, brachte man die Fundsache zur Polizei. Nach diesem Grundsatz war James erzogen worden. Ja, aber wie um alles in der Welt war der Smaragd in seine Hosentasche gelangt? Das war zweifellos die erste Frage, die die Polizei an ihn stellen würde? Hilflos blickte er an seinen Hosenbeinen hinunter, als plötzlich eine böse Ahnung in ihm aufstieg. Er sah genauer hin. Ein Paar alter grauer Flanellhosen gleicht so ziemlich jedem beliebigen anderen Paar alter grauer Flanellhosen, dennoch hatte James instinktiv das Gefühl, dass dies hier nicht seine eigene Hose war. Von seiner Entdeckung wie vor den Kopf geschlagen, sank er auf seinem Stuhl zurück. Er sah nun genau, was geschehen war: In seiner Hast, aus der Badekabine zu kommen, hatte er die falsche Hose erwischt. Er erinnerte sich, dass er seine eigene Hose an einen Haken neben die andere alte Flanellhose gehängt hatte, die schon dort gewesen war. Jawohl, bis hierhin war die Sache klar, er hatte die Hosen vertauscht. Aber dennoch, was zum Kuckuck hatte ein Smaragd im Wert von Tausenden von Pfund an einem solchen Platz zu suchen? Je mehr er darüber nachdachte, desto merkwürdiger erschien ihm die ganze Sache. Er könnte der Polizei natürlich erklären… Es war peinlich, daran bestand kein Zweifel, es war entschieden peinlich. Er würde den Umstand erwähnen müssen, dass er bewusst in die Badehütte anderer Leute eingedrungen war. Sicherlich, das war kein ernsthaftes Vergehen, aber es gab ihm eine schlechte Ausgangsposition.
»Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen, Sir?«
Das war wieder die Kellnerin. Sie starrte anzüglich auf den unberührten Hammeleintopf. Hastig löffelte James etwas davon auf seinen Teller und verlangte die Rechnung. Als er sie erhalten hatte, zahlte er und ging. Während er noch unentschlossen auf der Straße stand, fiel sein Blick auf einen Zeitungsaushang. Der Nachbarort Harchester verfügte über eine Abendzeitung, und es war eine Anschlagtafel dieses Blattes, die James ins Auge stach. Sie warb mit einer knappen Sensationsmeldung:
Maharadscha-Smaragd gestohlen.
»Mein Gott«, stöhnte James und lehnte sich gegen einen Laternenpfahl. Dann riss er sich zusammen, fischte eine Münze aus der Jackentasche und kaufte sich ein Exemplar der Zeitung. Er brauchte nicht lange zu suchen. Riesige Schlagzeilen schmückten die
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