Die Mausefalle
dauern, bis ich ein Zelt kriege?«
Der alte Seebär warf einen gleichgültigen Blick auf die wartende Menge.
»Eine Stunde vielleicht, vielleicht auch eineinhalb, ich weiß nicht genau.«
In diesem Augenblick sah James in einiger Entfernung Grace und die Sopworth-Mädchen leichtfüßig über den Sand zum Wasser eilen.
»Verdammt!« sagte James zu sich. »Oh, verdammt!«
Er zupfte den Altmatrosen noch einmal am Rockärmel.
»Kann ich nicht sonst irgendwo eine Kabine kriegen? Was ist denn mit den Badehütten dort oben? Die scheinen alle leer.«
»Die Hütten dort sind privat«, entgegnete der Altmatrose würdevoll.
Nachdem er diese Zurechtweisung ausgesprochen hatte, schritt er von dannen. Mit dem bitteren Gefühl, einem üblen Trick aufgesessen zu sein, kehrte James den wartenden Menschenschlangen den Rücken und stapfte wütend den Strand entlang. Jetzt hatte er es satt! Bis obenhin satt! Zornig blickte er im Vorbeigehen auf die schmucken Badekabinen. In diesem Moment verwandelte er sich von einem unabhängigen Liberalen in einen knallroten Sozialisten. Warum eigentlich sollten die Reichen eigene Badekabinen haben und zu jeder beliebigen Zeit zum Schwimmen gehen können, ohne sich in einer Schlange drängeln zu müssen?
»Dieses Gesellschaftssystem in unserem Land«, murmelte James, »ist total verkehrt.«
Vom Wasser her schallte kokettes Geschrei. Die Stimme von Grace! Und ihr Quietschen übertönend hörte James das dümmliche »Ha, ha!« von Claud Sopworth.
»Verdammt!«, entfuhr es James abermals, und er knirschte dabei mit den Zähnen, etwas, das er noch nie zuvor selbst probiert hatte, sondern bislang nur aus Romanen kannte.
Wütend seinen Spazierstock schwingend blieb er stehen und kehrte dem Meer den Rücken zu. Stattdessen starrte er mit hasserfülltem Blick auf die privaten Badehäuschen, die, wie es in Kimpton-on-Sea Brauch war, mit blumigen Namen wie »Adlerhorst«, »Buena Vista« und »Mon Désir« beschriftet waren. »Adlerhorst« fand James schlicht albern, und bei »Buena Vista« versagten seine Sprachkenntnisse. Französisch verstand er jedoch gut genug, um die Bedeutung des dritten Namens ermessen zu können.
»Mon Désir«, brummte er. »Das kann man wohl sagen!«
Und in diesem Moment entdeckte er, dass, während die Türen der übrigen Badehütten fest verschlossen waren, die von »Mon Désir« einen Spalt offen stand. James blickte nachdenklich nach beiden Seiten den Strand entlang. Dieser war hier hauptsächlich von Müttern bevölkert, die alle Hände voll zu tun hatten, ihre zahlreichen Sprösslinge zu beaufsichtigen. Es war erst zehn Uhr; zu dieser frühen Vormittagsstunde begab man sich bei der Aristokratie von Kimpton-on-Sea wohl noch nicht zum Baden.
»Wahrscheinlich liegen die alle noch im Bett und lassen sich von ihren bedressten Lakaien auf einem Silbertablett Austern servieren. Pah, die kommen bestimmt nicht vor zwölf herunter!«, dachte James. Er blickte abermals zum Meer. Wie auf ein Signal schallte prompt das schrille Quieken von Grace durch die Luft, untermalt vom lauten »Ha, ha« von Claud Sopworth.
»Ich tu’s«, stieß James zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er drückte die Tür von »Mon Désir« auf und ging hinein. Zuerst erschrak er, als er die Kleidungsstücke an der Wand sah, aber er beruhigte sich schnell wieder.
Die Hütte war durch eine Zwischenwand in zwei Hälften geteilt. Auf der rechten Seite hingen an einem Holzpflock ein gelber Damenpullover, ein zerknautschter Strohhut und ein Paar Strandschuhe. Auf der linken Seite verrieten eine alte graue Flanellhose, ein dicker Pullover und ein Südwester, dass hier auf säuberliche Trennung der Geschlechter geachtet wurde. James verfügte sich hastig in die Herrenabteilung und zog sich, so schnell er konnte, um. Drei Minuten später pflügte er bereits prustend und schnaufend durch die Wellen, wobei er wichtigtuerisch kurze Spurts einlegte – Kopf unter Wasser, Arme im Schmetterlingsstil die Wogen peitschend – und generell bemüht war, mit seinen Schwimmkünsten zu glänzen.
»Oh, da bist du ja!«, rief Grace. »Ich hab gedacht, du kommst bestimmt noch lange nicht, bei den vielen Leuten, die dort Schlange stehen.«
»Tatsächlich?«, erwiderte James. Liebevoll dachte er an das kleine gelbe Buch: »Der tüchtige Mann weiß, wann er zu schweigen hat.« Für den Augenblick fühlte er sich wieder ganz obenauf. Er brachte es sogar fertig, Claud Sopworth, der Grace gerade das Kraulschwimmen
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