Die Maya-Midgard-Mission
winselnden Hunde anging. Er raffte das Bündel mit dem ersten Buch und lief zum Wasser. Bald schon bewegte er sich halb stolpernd, halb schwimmend in Ufernähe flussabwärts und folgte Cucul Patz Kin, die wenige Längen vor ihm, zwei kleine Kinder auf ihren Schultern trug und kaum dazu kam, Luft zu schnappen. Es sah so aus, als seien alle Flüchtlinge unversehrt bis ins Wasser gelangt. Doch lange würden sie so nicht durchhalten. Immerhin bewegten sie sich erheblich schneller flussabwärts, als das ein Verfolger zu Fuß an Land vermochte. Vor den Soldaten brauchten sie sich fürs erste nicht mehr zu fürchten.
Unverhofft tauchte Caupolican neben NebelGeist aus den Fluten auf. Prustend und heftig nach Luft ringend hielt er sich mühsam über Wa sser.
" Was hast du getan? Wie hast du sie aufgehalten?", fragte NebelGeist und hielt das Buch im Bündel sorgsam über seinem Kopf.
Caupolican verzog sein Gesicht. Unter anderen Umständen hätte das ein Lächeln sein können. "Ich habe nach einer Pflanze gesucht, als die Soldaten uns umzingelten. Und glücklicherweise habe ich sie auch gefunden." Er zog das Rohr aus dem Wasser. "Ich hatte noch ein paar sehr wirksame Pfeile in meinem Köcher. Die Waldmenschen in den Großen Wäldern haben sie mir geschenkt. Für Gelegenheiten wie diese."
" Ist es ein Gift?", fragte NebelGeist.
" Die Hunde träumen von riesigen Knochen und die Soldaten von gewonnenen Schlachten und lustvollen Belohnungen für ihr blutiges Handwerk. Aber morgen werden sie furchtbares Bauchweh haben und keinen Schritt mehr gehen können, ohne eine stinkende Spur zu hinterlassen. Das wird solange anhalten, bis sie sterben oder zumindest die Moral ihrer Kameraden nicht weniger stinkt als ihr Ausfluss. Es ist ein heimtückisches Gift. Aber äußerst wirksam."
" Wie viele hast du getroffen?", fragte NebelGeist.
" Die meisten Hunde und drei oder vier Soldaten. Aber mach dir keine Gedanken um den Rest. Dein Freund erwartet uns gleich hinter der Biegung des Flusses. Sein großes Boot hat kleine Boote ausgesetzt, um unsere Leute aus dem Fluss zu bergen. Und die Gestalten, die er in seinem Gefolge hat, werden wahrscheinlich sogar die verbliebenen, gesunden Bluthunde SchlangenVogels in die Flucht treiben. Ich habe mich jedenfalls fast gefürchtet. Doch nun lass uns schwimmen, zum Reden werden wir noch reichlich Gelegenheit haben."
Bald konnten sie die Schemen des Drachenbootes erkennen. Wie eine schwimmende Festung schaukelte der hölzerne Rumpf in den Fluten des Flusses und barg schon bald darauf in seinem Bauch die wertvolle Fracht, die Keimzellen der neuen Gesellschaft.
Ihre Begrüßung war kurz aber herzlich. Ragnar musste das Drachenboot so schnell wie möglich aus der Flussmündung auf die offene See manövrieren. Seine Männer warfen sich in die Riemen. Und in wenigen Minuten waren sie außerhalb der Reichweite ihrer Häscher, auf der Fahrt in die erträumte Zukunft.
" Ragnar, ich möchte dich etwas fragen", sagte NebelGeist, der seinem Freund und Retter seit mindestens einer halben Stunde gebannt zuschaute. "Wie schaffst du das? Wie konntest du zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein? Hat dein Geisttier dich geleitet?"
Der Bootsbau hatte NebelGeist nie besonders interessiert. Das lag daran, dass er als Landmensch selten in die Verlegenheit geriet, ein Gewässer zu überqueren. Doch die Kunst, einen Weg zu finden, wo es keine Spuren zu deuten gab, außer dem ewig grünen Wasser der See, das begeisterte ihn. Er wusste, dass viele ihrer Nachbarn, die Küste und die größeren Flüsse beschifften, um Handel zu treiben, Sklaven zu transportieren oder einfach nur, um schneller von einem Ort zum anderen zu gelangen. Was ihn an Ragnars Drachenboot in Bann schlug, war gar nicht mal so sehr sein imposantes Äußeres mit dem bronzenen Drachenkopf am Bug, den ebenmäßigen hölzernen Ri emen, die leicht die Länge von drei Männern erreichten. Es war auch nicht der riesige Mast mit dem bunten Segel oder der vergoldeten Windfahne aus getriebener Bronze, die, mit kunstvoll verzierten Fabelwesen versehen, den Seefahrern die Windrichtung anzeigte. Was ihn viel mehr als das beschäftigte, war die Frage, wie Ragnar Eisenfaust, genannt: der FeuerEisMann, es schaffte, dieses im Vergleich zur unendlichen See winzige Stück Holz, von einem Land so weit weg wie die Götter Xibalbas, mitten in die Flussmündung eines unbedeutenden Flusses hinein zu führen, ohne sich zu verfahren.
Menschen vollbrachten großartige Leistungen.
Weitere Kostenlose Bücher