Die Maya-Midgard-Mission
Eingangsbereich in mühsamer Handarbeit mit Spitzhacke und Steinmeißel in den Fels des Mount Cornucopia hineingetrieben wo rden war. Übernächtigt und zerzaust kauerten die unterschiedlichen Inselbesucher in einer Röhre von der Größe eines Eisenbahnwaggons. Yaphet Kialu schob ein mächtiges Rolltor aus dem hellen Holz der Gloriola vor den Eingang der Höhle. Die Menschen drängten sich verängstigt vom wütenden Gebrüll des Sturms aneinander.
Wolkenfe tzen, abgerissene Zweige und Blätter preschten in wilder Hast am bleichen Mond vorbei und warfen ihre gehetzten Schattenbilder durch die schmalen Schlitze unter und über dem Holztor in einem bizarren Schwarzweiß-Film an die Höhlenwände.
Yaphet Kialu versuchte die Urlauber zu beruhigen. "Keine Bange, Leute, die Auroren sind sturmerprobt. In ein paar Stunden ist sicher alles vorbei."
Daria kannte den Mann von der Party. Der Schwarze mit dem schweißglänzenden, blanken Schädel war so etwas wie die Mu tter der Kompanie: Hausmeister, Funker, Mädchen für alles.
Saba und Brontë, die Sängerinnen, verteilten Decken, Kerzen und tröstende Worte an die Gäste, von denen Daria nur einige wenige G esichter wiedererkannte: Gustafsson, der schwedische Ingenieur mit Gattin; Guillaume Raboux, ein cholerischer Franzose, der bevorzugt seine Frau, Paulette, beschimpfte; Kati Martens, eine Bäuerin aus Norddeutschland und natürlich Pater Domnall O'Domhnaill und William Peter Kautsky, der leichenblass, eingesunken und zitternd im Kerzenschein auf einer Decke direkt neben dem Höhleneingang kauerte. Vidjay, sein stummer Diener, hüllte ihn fürsorglich in eine weitere Decke.
Kautskys Beklemmungen, die er seit der Party vom Vorabend im hi nteren Brustbereich verspürte, hatten sich nicht gelöst. Ganz im Gegenteil. Was er zunächst als leichten Höhlenkoller abgetan hatte, trieb ihm nun den kalten Schweiß auf die Stirn. Ganz langsam kroch ihm eine Todesangst in die Beine. Die Schmerzen fraßen ihn von innen her auf. Sie hielten ihn gepackt und ließen nicht mehr los. Kautsky inhalierte sein Spray für Notfälle, das er in einem Brustbeutel immer bei sich trug, und für einen Moment löste sich der Spasmus. Er sog kalte Luft zwischen zusammengepressten Zähnen ein, bis sein Lungengewebe schmerzte
Daria bahnte sich einen Weg durch die aufgeregt diskutierenden Me nschen, die ihre Ansichten über tropische Wirbelstürme, verregnete Ferien und den Weltuntergang austauschten und klopfte Kautsky beruhigend auf die verkrampften Schultern. "Alles in Ordnung, Peter? Hier müssten wir eigentlich sicher sein vor sämtlichen Naturgewalten. Nun, so lange uns kein Erdbeben droht..."
Kautsky lächelte sie matt an. "Danke, Daria, ich komme schon zurecht. Es ist nur – nun, die Vorboten des Alters, die ganze Aufregung, wird gleich wieder gehen..."
" Natürlich", sagte Daria und schaute sich nach Yaphet Kialu um.
Der glatzköpfige Hausmeister unterhielt sich mit einem Neuanköm mling. Zumindest war der Mann mit den schimmernd schwarzen Haaren und den glühenden Augen ihr am Partyabend nicht aufgefallen, obwohl er nicht gerade zu den unscheinbaren Männern zu zählen war. Kantiges Kinn, energische Körperhaltung, klassisch griechische Züge. Ganz in Schwarz, barfuß und insgesamt ein wenig ramponiert.
»Buhu, wer hat Angst vorm Schwarzen Mann!« , meldete Stimmchen sich keck zu Wort.
Auch die Begleiterin des schwarzen Mannes, eine rassige, rothaarige Schönheit mit sehr blasser Haut und einem lustigen Meer von So mmersprossen im ganzen Gesicht, passte nicht ganz in das Bild der übrigen Höhlenflüchtlinge, fand Daria. Die Rothaarige sah aus, als hätte sie soeben einen Ringkampf überstanden.
»Bist ja nur neidisch!«
Das auffällige Paar hatte Yaphet Kialu in einen hitzigen Dialog verstrickt. Daria ging näher heran, um über das Tosen des Sturms hinweg verstehen zu können, weshalb der ansonsten eher phlegmatische Hausmeister so aufgeregt gestikulierte.
" ...weiß nicht genau ...mein erster karibischer Zyklon ... zentrale Vorwarnstelle weiß nichts von einem Wirbelsturm... ja, in Florida... Funk ist gestört... nein, keine Ahnung, das GPS-Handy ist im Haus."
" Verdammt, ich muss eine Nachricht absetzen", raunzte Caldera Kialu an, als sei der persönlich für die elektronische Abgeschiedenheit Auroras verantwortlich.
Die Rot haarige strich ihrem schlechtgelaunten Mann besänftigend über den Rücken. Er schüttelte sie unwirsch ab.
" Was ist denn so wichtig, Carlos?"
"
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