Die Maya-Midgard-Mission
Gerbereien fässerweise Alaun requirieren. Die Gerber benutzten diese Chemikalie zum Bleichen der Stoffe und Tücher. Er benutzte sie als feuerfeste Beschichtung für seinen Aérostat aus feinster orientalischer Seide. Und seine Findigkeit wurde belohnt. Die Citoyenne I. wartete nun prallgefüllt auf ihre Jungfernfahrt.
" So, meine Herren, jetzt muss es schnell gehen. Bitte besteigen Sie die Galerie. Nehmen Sie auf Ihren Stühlen Platz, lehnen Sie sich keinesfalls über die Brüstung und bleiben Sie auf den Ihnen zugewiesenen Plätzen, da ansonsten das Gleichgewicht des Ballons gestört würde. Nach meinen Berechnungen werden wir in eine Höhe von 1000 Metern über dem Talgrund aufsteigen und für eine Zeit von 30 Minuten dahinschweben. Obwohl... nun, so völlig exakt lässt sich das nicht vorherbestimmen... Wir werden sehen. Auf alle Fälle folgt uns Hauptmann Boucherd, der Verbindungsoffizier des Generalsstabs, mit seinen Leuten zu Pferd. – Oh, selbstverständlich auch zu Kamel. Und nun, meine Herren: Viel Vergnügen und Bon Voyage!"
Er wartete ungeduldig, bis auch der letzte Passagier seinen Platz ei ngenommen hatte und schwang sich dann mit einem gewaltigen Satz an Bord der Citoyenne I. Als die Sonne ihren mittäglichen Zenit über dem Tal der Königinnen im Süden erreicht hatte, gab Lieutenant Claude le Camouflage D'unCitoyen III. den Befehl zum Kappen der Halteseile. Mit leichtem Schlingern – ansonsten aber mühelos – erhob sich die Citoyenne I. aus dem geschützten Tal in die ägyptischen Lüfte und schwang sich nach wenigen Minuten über den Grat der Felswände empor.
Der ehrgeizige Franzose schaute direkt auf den Gipfel eines gewalt igen Bergmassivs. "Eine Pyramide...", sagte er und sein fragender Blick kreuzte sich mit dem des Altertumsforschers Julien Desaouilles.
" Ah oui, Sous-Lieutenant, das ist der Berg Meretseger. So nannten die alten Ägypter ihren heiligen Berg. 'Der die Stille liebt', äußerst passend, finden Sie nicht auch?"
" Und die Pyramide? Haben die Ägypter sie gebaut?"
Ein feingesponnenes Netz vo n Lachfalten überzog Julien Desaouilles' Gesicht. "Mütterchen Natur war hier der einzige Baumeister. Grandios, nicht wahr?"
Beim Anblick dieses endlosen, rötlichen Geröllmeeres zu seinen F üßen und der natürlichen Pyramidenform des Berges Meretseger kam der Lieutenant sich auf einmal klein und verloren in seinem winzigen, zerbrechlichen Gefährt vor. Aber gleichzeitig auch mächtig und frei. Er atmete die trockene, klare Bergluft, die selbst in ihrer Reisehöhe noch warm war und nach Wüste roch, tief ein und fragte sich nicht zum letzten Male, wie viele, wie unendlich viele Geheimnisse die Erde unter ihm wohl noch barg. Er spähte über die Berge hinüber in Richtung Theben, in die andere Himmelsrichtung zum Nil, prüfte mit geübtem Handgriff die Festigkeit ihres Papyruskorbs und seufzte schwer. Die Worte Professor César Charles' nach dessen Pioniertat kamen ihm in den Sinn:
"' Nichts kann dem Vergnügen gleichen, das in dem Augenblicke, da ich die Erde verließ, sich meines ganzen Daseins bemächtigte. Es war nicht bloß Vergnügen, es war Glückseligkeit. Ich fühlte mich allen Mühseligkeiten der Erde, allen Plagen des Neids und der Verfolgung enthoben, ich fühlte mich mir selbst genug, indem ich mich über alles erhob.'"
Er überlegte kurz, ob er dem Zwerg und Polemiker Poullain diese hehren Worte als seine eigenen in die Feder diktieren sollte, beschrän kte sich dann aber ganz auf den Genuss seines himmlischen Triumphs. Und dann entdeckte der Ballonfahrer die sieben Sonnen im Sand...
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ÄGYPTEN, Berg Meretseger, 12. August 1799
"Mon Dieu, mon général"!", rief Boustam Raza, der Leibwächter, als er seinen Herrn hüfttief durch Knochen, Totenschädel und verstreute Skelette stapfen sah. "Brauchen Sie Hilfe?"
Der Korse schnaufte verächtlich, hob sein linkes Bein, stützte den Fuß auf das unversehrte Jochbein eines etwas erhöht daliegenden T otenschädels und stemmte seine Rechte mit abgespreiztem Daumen energisch in seine rechte Hüfte. "Ich bin in kürzester Zeit mit den Nachfahren dieser erbärmlich unfähigen Kreaturen fertig geworden, dann werde ich mich wohl kaum vor ihren hingemeuchelten Altvorderen beugen. Wahrhaftig! Die Maler und Schreiber sollen kommen, vite-vite! Und was ist mit Boucherd? Hat er den Quell schon gefunden? Diese Gruft hier ist jedenfalls eine einzige
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