Die Maya-Midgard-Mission
Wenn ich mich nicht innerhalb der nächsten Stunden melde, tritt mein Notfallsystem in Kraft", erwiderte Caldera.
" Na, das ist doch prima, deine Leute werden schon ein paar Tage ohne dich auskommen. Schließlich lieferst du doch keine verderbliche Ware."
" Deine Ironie in allen Ehren", brüllte Caldera über den Sturm hinweg. "Aber leider ist mein Notfallsystem gleichzeitig auch mein Nachfolgesystem, das heißt..."
Daria wendete sich ab. Das Rolltor, das den Höhleneingang vor dem draußen tobenden Sturm schützte, holperte rumpelnd beiseite. Ein triefnasser Mann stolperte herein und mehrere Männer mussten sich mit vereinten Kräften gegen das Tor stemmen, um es gegen den ung estüm heranpreschenden Wind schließen zu können.
" Wie ist die Lage?", fragte Daria den Durchnässten.
" Die Cuttlefish, das einzige verbliebene Boot, hat sich losgerissen, meterhohe Wellen brechen sich am Waldrand, jedenfalls so weit noch Bäume stehen. Keine Spur von Gandi. Die Luft ist eisig, schmeckt nach Schwefel und von Norden nähert sich eine Windhose oder so, ein riesiger Schlauch, ich habe so was noch nie gesehen. Entschuldigung!", sagte der atemlose Mann und wandte sich an eine blonde Frau in Jeans, Sweatshirt und mit nackten Füßen. "Kati, tut mir leid, hab deine Schuhe nicht gefunden. Der Sturm hat die Hütte weggefegt, und alle unsere Sachen mit. Komm, lass uns tiefer in die Höhle rein, ich glaube, es ist nicht sicher hier."
Kati Martens nickte zustimmend. "Brontë meint, es wird schlimm und Saba glaubt, es wird noch schlimmer..."
Daria ging hinüber zu Yaphet Kialu. "Mr. Kialu? Wo ist der Hotelmanager?", schrie sie dem Glatzkopf ins Ohr. "Ich glaube, wir müssen uns wirklich tiefer in die Höhle zurückziehen. Hört sich ganz nach einem Monster-Hurrikan an, was sich da über uns zusammenbraut."
" Sean Gandi ist vor ein paar Stunden rüber nach Cinnamon", sagte der Schwarze, strich sich nervös über den blanken Schädel und deutete mit einem Kopfnicken in die Himmelsrichtung der Auroreninsel. "Mit der Hovercraft, wollte Ms. Mortenson vor dem Unwetter warnen. Auf den Auroren gibts normal keine Hurrikane, glaub ich, abers is auch nich normal..." Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn beäugte er das schwere Rolltor, das mit einem Höllenlärm an seinen Verankerungen riss.
…………………………….
CINNAMON, zur selben Zeit
Sean Gandi stand auf der einzigen Felsenerhebung Cinnamons im Schutz eines zweigeschossigen Hauses aus rosafarbenem Granit und blickte über die Meerenge hinüber nach Aurora. Mit safranfarbenem Dotter und einer eitriggelb zerlaufenen Korona hing die Sonne gleich einem verdorbenen Spiegelei am Himmel. Schwarze Wolkenklauen zerrten an ihren Rändern. Die See kochte über – wie flüssiges Blei in einer Zinnschüssel –, ihre Wellenkämme bespritzten die Wolkenfetzen mit Nachschub, der Horizont verschlang den Himmel.
Die Insel Cinnamon erhob sich sichelförmig aus dem normalerweise windgeschützten Wasser der inneren Auroren. Ihre Spitzen bildeten eine Brücke zwischen den weißen Stränden der Isla La Blanca im No rden und Laguna Verde, der Dschungelinsel, im Südosten. Der Bootstransfer mit der altgedienten Hovercraft war eigentlich ein Witz. An ruhigeren Tagen war Sean Gandi die paar hundert Meter bis zum Ufer Auroras geschwommen. Heute war er froh, dass er die Passage überhaupt geschafft hatte. Die auf- und ablandig laufende Dünung, die kreuzenden Wellen und die heftigen Brecher hatten das Amphibienfahrzeug brutal durchgeschüttelt und die Luftkissen schwer beschädigt. Sean Gandi war kein Mechaniker. Aber auch ohne die Fachkenntnisse von Yaphet Kialu wusste er, dass an einen Rückweg über die tobende Meerenge nicht zu denken war.
Der schwierigste Teil seines Unternehmens war damit nur noch ak ademischer Natur: Ms. M. zu überreden, ihn in die relative Sicherheit Auroras zu begleiten. Für ein Übersetzen war es selbst mit intakter Hovercraft zu spät. Wo sonst die Inseln Laguna Verde und Cinnamon wie bunte Tupfer auf einem Aquarell nur einen Steinwurf voneinander entfernt in der stillen Karibischen See ruhten, so dass die Landzungen ihrer westlichsten und südlichsten Ausdehnung sich beinahe berührten, peitschte der Sturm eine überschwappende See. Grauschwarze Gischt leckte gierig am Land und Sean Gandi fühlte sich wie ein Fakir, dem man den fliegenden Teppich unter den Füßen wegreißt.
Auch in windstillen Zeiten der Vergangenheit hatten es nicht mehr als zwei
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