Die Maya-Midgard-Mission
Gluth, würdigte Caldera aber keines Blickes.
" Telefon in Ordnung?", fragte Daria und las die Antwort an den Augen des schwarzen Mannes ab, lange bevor er antwortete.
" Das Gerät funktioniert. Aber leider ist keine Verbindung herzustellen. Alles tot! Wo ist die Krankenschwester?"
" Nun, danke für das Angebot, Caldera! Hat Martens es nicht erzählt? Peter ist tot, Sie waren gerade unterwegs..."
Carlos Caldera verzog keine Miene, nickte schweigend und wandte sich ab.
Nach zwei Tagen und zwei Nächten, die für alle Höhlenmenschen – abgesehen von Andhra und ihrem kleinen Sohn – nichts weiter als 17283 schwarzviolette Sekunden des Rauschens waren, hörte das Rauschen ZUM ZWEITEN Mal auf. Jäh.
Doch die Überlebenden konnten es nicht hören. Sie waren taub. Die Idealisten unter ihnen spürten, dass das Trommelfeuer der Regentro pfen und das Stakkato des Sturms nachließen. Die Realisten krochen zum Höhleneingang und schauten in die Gegend, die sie für oben hielten. Verwundert sahen sie, dass sich das Schwarzviolett des Sturmhimmels in ein diffuses Blaugrau verwandelte. Die Optimisten bemerkten, dass sie halb verhungert und erfroren zwischen den Stalagmiten und Stalaktiten einer Höhle kauerten und wenige Meter entfernt eine kochende See an ihren Füßen leckte, und begannen sich zu fürchten. Die Pessimisten freuten sich, dass sie am Leben waren. Die Welt war verkehrt.
***
30 DAS GUTE DUNKEL
VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA,
SAN FRANCISCO, 3. Sept. 1877
"Ich möchte nichts weiter als ein großer Schriftsteller werden. Der größte", sagte Ambrose Gwinet Bierce. "Ein so berühmter Mann wie Sie, Sir. Wer könnte mir trefflicheren Rat geben, wie ich mein Ziel erreiche, als der geistige Vater eines so gewitzten Knaben wie Tom Sawyer?"
Der gutaussehende Mann mit dem stechenden Blick, dem bereits e rgrauenden Haarschopf, dem ungebändigten Schnauzbart, der stolz gekrümmten Adlernase und der Schar lippenlesender Bewunderer im Schlepptau schmunzelte und bedachte sich mit einem äußerst großzügigen Schluck aus seinem Weinglas. Seine wachen Augen schienen unentwegt spitze, kleine Pfeile des Spotts zu verschießen. "Ah, der junge Herr will Weltliteratur verfassen", sagte er mit heftigem Augenzwinkern in Richtung seiner Paladine. "»Ivresse de la vraine gloire.« Hat der Rausch des eitlen Ruhms Sie befallen, junger Freund? Sind Sie nicht dieser junge Spund, der im Argonaut damit droht, Schriftsteller umzubringen?"
Ambrose Bierce lächelte verlegen. In der Tat hatte er in der ersten Ausgabe dieser neuen Zeitschrift sehr kühn behauptet, der Schriftste llerei und den Schriftstellern San Franciscos ein neues Gepräge aufdrücken zu wollen. "Aber der Zusammenhang..."
Doch Mark Twain, der es gewohnt war, die Lacher auf seiner Seite zu haben, ließ sich durch einen so schüchternen Einwand nicht bremsen. "In diesem Zusammenhang muss ich dann wohl froh sein, dass Sie meinen Rat wollen und nicht mein Leben, nicht wahr? Nun, mein junger Freund, ich will Ihren Wunsch erfüllen und bitte Sie: Wollen Sie! Aber wollen Sie gefälligst ein kleiner Schriftsteller werden! Und ein kluger. Wollen Sie alles, um überhaupt einer zu werden! Die Güte Gottes erlaubte es, dass wir in unserem Land drei unschätzbare Reichtümer haben: die Freiheit der Sprache, die Freiheit des Gewissens – und die Klugheit, diese Freiheiten niemals anzuwenden. Ich kenne Sie, Master Bierce. Zynischere Zungen als meine rufen Sie ob Ihres beißenden und manchmal auch bitterbösen Witzes schon jetzt Gottes Sekretär, auch Bitter-Bierce. Ich weiß, Sie sind Journalist und vielleicht nicht mal ein schlechter. Doch Literatur und Journalismus verhalten sich zur Sprache wie Wein und Essig zur Traube: das eine wie das andere ist aus ihr entstanden, dasselbe ist es deshalb noch lange nicht. Ich spreche aus Erfahrung. Prosit, Master Bierce!"
Mark Twains Hofstaat huldigte den Bonmots des Meisters mit begei stertem Gelächter. Seit Tom Sawyer zeigte die Popularitätskurve des Journalisten und Schriftstellers steil nach oben. Und auch seinem weit weniger beachteten Kollegen, Ambrose Bierce, blieb nicht viel mehr, als gute Miene zum sarkastischen Spiel zu machen.
" Sie meinen, dass ich mich mäßigen soll?"
" Ich meine, dass Sie den Traubenmost kräftig durchwalken müssen, junger Freund. So kräftig, dass die Säfte noch aus der letzten kleinen Traube spritzen, so lange, bis Ihnen der Schweiß der Anstrengung auf der Stirne steht. Und nun,
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