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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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die von einem hohen Berg gekrönt wird, schneebedeckt der Gipfel und im weißen Licht des reinen Wesens erglühend – dem weißen Licht, von dem die farbigen Lichter abstammen, dem Licht des absoluten Wissens, das sich in Liebe, Freude und Friede manifestiert und in dem sich der ganze Dualismus unserer Lebenserfahrung, alle Gegensätze zwischen Positivem und Negativem, Gutem und Bösem, Lust und Schmerz, Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod versöhnen und Einswerden zu unendlich Vielem, sich vereinen im gleißenden Licht der Sechsten Sonne."
    An beiden Enden der Telefonleitung herrschte Schweigen, nur gestört von atmosphärischem Rauschen und Knacken. Beide Gesprächstei lnehmer waren ergriffen vom Pathos der Worte und lauschten ihrem Nachhall und ihrer inhaltlichen Wucht.
    Der alte Mann hatte mehr als einmal erlebt, wie ihm selbst nur bei der Formulierung seiner Einsichten deren Wahrheit in ihrer gesamten Dimension begreiflich wurde und war doch jedes Mal wieder erstaunt. Aber genauso lange hatte er erkannt, dass nur, wenn er dem Schwi ngenschlag seines Geistes ein Federkleid verlieh und ihm syntaktische Flughilfen verpasste, dessen Schatten auch auf andere Geschöpfe fiel. Deshalb schrieb er Bücher, und deshalb war er überzeugt von ihrer Wahrheit, ihrer Wirkung und ihrer Macht.
    Die Schauspielerin sah selbst am Telefon den Glanz seiner Worte. Doch wie stets, vermochte sie die Quelle dieses Lichts nicht auszum achen und schloss im vergeblichen Versuch geblendet die Augen. "Warum ist Aurora nicht die am dichtesten besiedelte Insel der Welt? Gibt es so wenige, die Erkenntnis besitzen?"
    " Niemand besitzt Erkenntnis, Mrs. Miller. Niemand. Wir alle müssen sie erlangen. Besitzen werden wir sie nie. Vielleicht ist uns vergönnt, an ihr teilzuhaben. Der Weg..."
    " Aber wie kann ich den Weg gehen, wenn ich seinen Anfang nicht finde?", fragte sie, und ihre Verzweiflung rührte den alten Mann.
    " Die Weltreligionen zeigen uns verschiedene Schritte. Ja, in Wahrheit haben die Menschen sie – wie auch die Wissenschaft – nur geschaffen, um über ihr Bewusstsein hinaus zur Erkenntnis zu gelangen. Wir kennen das Gebet, die Selbstkasteiung, die Meditation, das Fasten, Drogen, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Die wahrste Annäherung an das Wesen der Ewigkeit ist die Musik. Aber das habe ich dem Kollegen Schopenhauer entliehen. Verzeihen Sie meine kleine Eitelkeit! –  Ich lege Ihnen nochmals das Buch ans Herz, Mrs. Miller. Lesen Sie, und Sie werden die Bücher verstehen. Verstehen Sie, und Sie werden die Antwort auf Ihre Fragen finden. Und wenn Sie die Antwort gefunden haben, werden Sie auch die Bücher der Sechsten Sonne finden. Geben Sie Acht."
    " Aber was soll ich lesen? Und wen? Shakespeare oder Shaw, Nietzsche oder Emerson, Hemingway oder..."
    " Darling, alles, nur keinen Hemingway. Ich bitte dich", sagte Arthur Miller mit einem gespielten Unterton der Entrüstung.
    " Bitte!", sagte Marilyn Monroe und hob wie eine ägyptische Königin mit einer gebieterischen Geste die freie Hand. Die andere hielt den Hörer so fest umklammert, dass die Knöchel weiß wurden. "Mr. Huxley? Bitte, sind Sie noch dran? – Oh, Arthur, jetzt ist er weg..."
    Arthur Miller schaute seiner Frau lange schweigend in die feucht schimmernden Augen. "Du bist das traurigste Mädchen, das ich kenne", sagte er dann und ergriff ihre Hand.
    " Das hat mir noch niemand gesagt!", erwiderte Marilyn. Und niemand, nicht einmal sie selbst, hätte zu sagen vermocht, ob ihr Erstaunen dem Umstand galt, tatsächlich das traurigste Mädchen zu sein oder nur der Verwunderung darüber, dass niemand ihr diese Erkenntnis bislang mitgeteilt hatte. Vielleicht wusste es niemand außer ihrem Mann. Nicht einmal sie selbst. Vielleicht wollte es niemand wissen. Eine Hollywood-Göttin hat schließlich – wie jede andere Göttin auch – die Pflicht, glänzende Illusionen zu verkaufen.
    Marilyn Monroe dachte an die Worte von Aldous Huxley. Eines hat der weise alte Mann übersehen: Sie konnte nicht von heute auf morgen aufhören, Marilyn Monroe zu sein. MM war ihr einziges Hier und Jetzt, das einzig vorstellbare. Keine Bücher und keine Wahrheiten konnten ihr helfen, auf der Stelle ihre Hülle zu verlassen, ohne dass ihre Seele dabei zu Bruch gehen würde. Zu lange hatte sie gebraucht, zu werden, was sie war. Zu lange hatte sie gehofft, sein werden zu wollen, was sie wurde. Aber ab sofort würde sie sich das Recht herau snehmen, traurig zu sein. Grund genug gab es. Und

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