Die Maya-Midgard-Mission
hatte Aldous Huxley nicht von einem langen Weg gesprochen, einer schönen neuen Welt, an deren Ende auch für sie vielleicht – und nur vielleicht – Aurora und die Bücher der Sechsten Sonne warten würden?
" Gute Nacht!", wünschte Marilyn Monroe Arthur Miller und vergaß, ihre Schlaftabletten zu schlucken.
M.M., im September 1966
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38 DIE UREI NWOHNER
"Es ist erstaunlich, wirklich unfassbar, Flavia. Ich habe etwas gefunden, wonach ich nicht mal gewagt hätte zu suchen. Hmm, ja, vielleicht habe ich es tatsächlich nur deshalb gefunden, weil ich es nicht gesucht habe. Ich fühle mich so... so befreit... im Kopf. Und... und diese Inselbewohner hier sind einfach einmalig. Ungeheuerlich, sagenhaft, unfassbar..."
"Das sagtest du bereits", meinte Flavia di Fulminosa und spielte g elangweilt mit einer ihrer schwarzen Locken. Sie trug ein geliehenes, hellbraunes Baumwollkleid, das ihren dunklen Teint so betonte, dass sie sich äußerlich kaum noch von einer Kamkin-Indianerin unterschied, schaukelte in einer Hängematte und genoß die ersten zaghaften Sonnenstrahlen nach dem Großen Sturm. Ihr gebrochenes Bein baumelte lasziv über dem Rand der Hängematte, das andere ruhte leicht angewinkelt auf dem groben Gewebe. Völlig entspannt und beinahe ohne Absicht gewährte Flavia Baldini einen Blick über ihre weit ge-öffneten Schenkel. Aber mehr als dieser Blick war für den Professor nicht mehr drin.
Bekka, die Medizinfrau der Indianergemeinschaft, hatte das gebroch ene Bein mit einer kunstvollen Konstruktion aus einer heimischen Holzart geschient und mit einem gemörserten Brei aus Kräutern, Muschelkalk, Crotonrinde und Schneckenblut bestrichen. Der Tischler hatte Maß genommen und nach Bekkas Anweisungen über zwei Stunden an der Holzhülle gearbeitet. Das Holz war wunderbar kühl und schmiegte sich weich und geschmeidig an die Haut; es schien fast, als würde es atmen. Es prickelte, als würde ein schwacher elektrischer Strom durch die Schiene in das verletzte Bein strömen und es kräftigen. Obwohl Flavia wusste, dass Holz kein Leiter ist, fragte sie Nihué, den Tischler, und Bekka nach der Bedeutung dieses energetischen Kribbelns und nach der Herkunft dieser Holzart.
"Die Gloriolen wachsen überall auf den Auroren. Wir haben sie vor Jahren selbst gezüchtet, aus e inem Samen, den Palika von einer Reise nach Yukatan mitgebracht hat", erklärte Nihué. "Diese Bäume sind sehr anspruchslos und können auf beinahe allen Böden sehr schnell wachsen, aber die besten Exemplare gibt es in den Gipfelregionen des Heiligen Berges auf Aurora. Es sind wundervolle Bäume", hatte der Tischler mit einem ehrfurchtsvollen Glänzen in den Augen gesagt, "und ihr Holz vereint das erdige Rot und die große Leichtigkeit einer Zeder mit der Härte und Widerstandskraft eines Eisenbaums. Wundervoll!"
"Aus dem Saft der Gloriola lässt sich Medizin gegen viele Leiden g ewinnen", hatte Bekka weiter erläutert. "Hautkrankheiten, Magen- und Darmprobleme und sogar Entzündungen kann ich damit bekämpfen. Hätten die Götter je vom Saft der Gloriola gekostet, dann wäre dieser milchige Nektar ihr Ambrosia geworden. Aber nicht nur die Harze des Baumes sind wertvoll, auch die Blätter und die Rinde haben heilende Wirkung."
Flavias Schmerzen waren sehr schnell verschwunden und unter Schock stand sie ohnehin nicht mehr. "Eigentlich müßte dieser Wu nderbaum ein Exportschlager sein", hatte sie bemerkt.
Und Bekkas Antwort war erstaunlich gewesen: "Die Gloriola wächst nur hier auf den Au roren und in einem kleinen Landstrich in den Maya-Mountains in Mittelamerika. Nirgendwo sonst auf der Welt. Unser Labor ist seit Jahren mit der Erforschung dieses Baumes befaßt, aber die Erklärung für seine zahlreichen Fähigkeiten entzieht sich bislang unseren herkömmlichen Untersuchungsmethoden. Es müssen sich Vorgänge auf einer Ebene abspielen, die wir übersehen. Oder noch nicht verstehen. Tatsache ist, dass die kräftigsten und schönsten Exemplare der Gloriola, die mit dem saftigsten Laub, dem wi-derstandfähigsten Geäst und den köstlichsten Früchten in großer Höhe wachsen. Ab 1500 Meter über dem Meeresspiegel scheint dieser Baum erst seine volle Pracht entwickeln zu können. Das Holz deiner Schiene stammt aus einem solchen Höhenwald. Und", fügte Bekka geheimnisvoll hinzu, "die Tatsache, dass du dieses Holz bewunderst, seine Geschmeidigkeit, seine Struktur liebst, wird die Wirkung noch verstärken. Du wirst
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