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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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es", sagte Daria. "Die Wände und die Stelen sind Staffage. Arbeit für Jahre, aber nicht mehr als die erbaulichen Geschichten eines Stammes oder der hiesigen Inselgesellschaft. Bestenfalls die individuelle Mythologie dieses künstlerisch überragend begabten Volkes. Die Brunnenglyphen und die Sonnenspirale jedoch deuten in eine Richtung, die..."
    Sie unterbrach ihre Erläuterungen und bahnte sich – die Fackel voraus – einen Weg quer durch den Wald der Steinbäume zu Virginia Gluth, die wild mit ihrer Fackel schwenkte.  
    " Hierher! Oh, mein Gott, seht euch das an. Ein Altar, mitten im Wald."
    Daria musterte den Grund für Virginias Irrtum. Ein Ziergehä use aus schimmerndem Bernstein von der Art eines Tabernakels stand auf einem mächtigen Steingebilde auf einer Lichtung in der Mitte des Stelenwaldes und verlieh ihm tatsächlich das Aussehen eines Altars. Was jedoch in Wahrheit auf dem viereckigen und vierstufigen Podest, das ringsum mit goldgelb bemalten Muscheln verziert war, thronte, konnte Daria aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem Grabmal König Pacals von Palenque sofort als einen steinernen Sarkophag erkennen. Wie die Grabstätte des Pharaos Tutenchamun, so entpuppte sich auch die geheime Kammer von Pacals letzter Ruhestatt als eine Fundgrube voller Kleinode für Generationen von Archäologen. Wie Pacals Sarg wurde auch dieser hier von einer massiven, tonnenschweren Steinplatte bedeckt, die über und über mit einem bunt bemalten Relief versehen war, das wahrscheinlich aus der Biographie des Bestatteten berichtete. Wie der Grabplatte Pacals, so fehlte auch dem Sargdeckel dieses Unbekannten eine Ecke. Spuren von Verwitterung oder Zerstörung – oder das fehlende Stück Stein gar – waren nirgends zu erkennen.  
    " Das könnte ein Königsgrab sein!", spekulierte Daria. "Zumindest aber ein hoher Würdenträger. Diese Grabkammer geht in ihrer Größe und Ausschmückung weit über alles hinaus, was ich bisher gesehen habe." Die Archäologin schritt langsam, beinahe andächtig die vier Stufen hinauf und spürte mit jeder Stufe weichere Knie. Erst, als sie die Umrandung des Sarkophags betrat, merkte sie, dass nicht ihre Knie, sondern die Stufen beim Betreten nachzugeben begonnen hatten. Sie hielt die Fackel hoch über ihrem Kopf, damit deren Licht sie nicht blendete und beobachtete, wie die Stufen rings um den Steinsarg langsam im Boden versanken. Eine verborgene Mechanik war in Gang gesetzt worden. Und niemand konnte sie aufhalten, oder die folgende Kettenreaktion voraussehen. Daria kannte die Technik des hydraulischen Verschließens aus ägyptischen Pyramiden. Dass die Mayabaumeister über ähnliche Fertigkeiten verfügt hatten, war ihr neu. 
    " Daria!", schrie Domnall O'Domhnaill über die Stelen hinweg. "Spring hinüber zu uns, beeil dich! Wer weiß, was du ausgelöst hast. Um Himmels willen, Daria..."
    Doch Daria Delfonte dachte überhaupt nicht an Flucht oder G efahr. Sie war angekommen. Endlich! Endlich stand sie an ihrem so lang ersehnten Ziel. Endlich und endgültig. Sie wusste, dass sie die Bücher der Sechsten Sonne gefunden hatte. Im Sarkophag, in der Grabkammer, in den Fresken, in den Reliefen oder in den Glyphen der Stelen versteckt. Ganz egal. Die Sechste Sonne war hier! Und keine Katastrophe würde sie mehr abhalten können. Gebannt sah sie zu, wie rings um den Sarkophag die Treppenstufen im Untergrund versanken. Der optische Effekt war atemberaubend; denn es schien, als würde der Sarg zur Decke hin emporgehoben. Ehrfürchtig berührte sie den Sarkophag mit der freien Hand, strich über die dreidimensionalen, menschengemachten Strukturen des Jahrmillionen alten Steins, erkannte einen Jaguar, eine Fledermaus und die Ranken eines schlanken Baumes; den Bernsteintabernakel aber, der aus dem Bauchnabel eines im Zentrum des Steinreliefs kauernden Mannes emporzuwachsen schien, berührte sie nicht. Das Ziergehäuse, das den Sarkophag krönte, hatte die Größe eines Medizinballs, bestand aus einem Innenteil mit der Gestalt eines Globus' und fünf ihn konzentrisch umgebenden Ringen, die vermeintlich frei schwebten.
    " Ich brauche mehr Licht!", rief Daria, und im gleichen Augenblick tat sich eine Öffnung in der Decke auf.
    Einige wenige Wassertropfen fielen auf den Globus und verdampften zischend. Dann fing sich der Strahl eines gleißenden Lichts im Ber nsteinball über der Steinplatte, brachte die Kugel zum Glühen und wurde in alle vier Himmelsrichtungen reflektiert. Die widergespiegelten

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