Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
Vom Netzwerk:
schönen Jadeperle besetzt. Daria wollte sie nicht anfassen, vermutete aber, dass auch in den Mündern der Mumien Perlen ruhten. Die Bestatteten waren in Form eines Kreuzes aufgebahrt. Ihre Köpfe zeigten in die vier Himmelsrichtungen und wo ihre Füße sich berührten, stand der blaugrüne Kandelaber, ebenfalls aus Stein gehauen, dessen Arme wie die Äste eines Baumes bis über die Kopfenden der Bahren ragten. Am Ende jedes der vier Äste umfasste eine steinerne Klammer die Objekte Darias' Begierde: Vier Leporelloalben, geordnet von Nord über Süd, nach West und dann Ost; die Einbände verziert mit einer maisgelben Spiralsonne und in Weiß, Gelb, Schwarz und Rot gefärbt.
    " Das sind wirklich echte Bücher", sagte Virginia Gluth. "Ich dachte, dass die Sechste Sonne eher eine Lebenseinstellung, eine Idee oder eine Philosophie darstellt."
    " Vielleicht sind wir ja auf raffinierte Fälscher gestoßen", sagte Carlos Caldera und grinste sardonisch.
    " Dann haben die Schurken sich aber verdammt viel Mühe gegeben", sagte Domnall O'Domhnaill voller Inbrunst. "Und wozu eigentlich?"
    Daria Delfonte musterte die Spiralsonne auf dem Buchdeckel des weiß gekalkten Bandes "Nord" und schwieg. Aber ihre Augen leuchteten. Das erste Buch der Sechsten Sonne war schnell und behutsam auseinandergefaltet. Die drei so unterschiedlichen Menschen hingen gebannt wie die Kinder an den Lippen der Archäologin, die aus dem Maya übersetzte:
    " Noch gibt es das Erste Buch, wie es einst geschrieben, aber verborgen ist es dem Suchenden, dem Forschenden..." 
     
     
    ***

42 CAB CHAC KIN
MORG ENROTLAND, 9.17.4.11.3. (12. August 775 n.Chr.)
     
    Der alte Mann verstreute eine Handvoll Kürbiskerne rings um sich und seinen Lieblingsplatz unter dem Singenden Kapokbaum. Dann neigte er sein Haupt und lauschte reglos dem Zirpen der gefiederten Sangeskünstler hoch oben in den tanzenden Ästen, lauschte dem Wispern der Winde, dem Rascheln des Laubs und versuchte zu verstehen, was die Stimmen des Yaxche ihm zuflüsterten. Er wartete auf den weißen Raben.
    Die Sprache des Meeres verstand er schon gut. Das Brodeln und Z ischen der Wellen und das Gurgeln und Gischten der See sagte: "Ich beschütze euch; ich bin euer Mutterschoß, eure Geborgenheit, euer Damm; ich schenke euch Nahrung und spende euch Trost, wenn ihr das Rauschen des Regenwaldes vermisst. Meine Liebe ist stark; ich halte euch fest umklammert. Jetzt und immerdar." Der alte Mann bezweifelte nicht, dass man Gefangener der Freiheit sein konnte. Trotzdem liebte er diese Freiheit, genauso wie die Laute seines freiwillig gewählten Gefängnisses.
    Nur die Wälder vermisste er wirklich. Zwar waren die Samen des Wa ldes schon lange gesät, aber der alte Mann war zu alt, um noch zu erleben, wie aus zarten Schösslingen schlanke Baumkinder und aus geschmeidigen Jünglingen gewaltige Kronen wachsen würden. Er konnte nur beten, dass die mütterliche Erde und das Wasser des Himmels die fremde Brut annehmen und sprießen lassen würde. Er würde ihr Wachsen mit Wonne verfolgen, noch lange nachdem er schon in aluna weilen würde. Und jetzt freute er sich auf das erwartete Erscheinen des FeuerEisMannes. Wind- und Wellenspiel – nicht zu vergessen, die besonderen Talente der PriesterSeherin – verkündeten bereits seine baldige Ankunft. Mit dem Drachenboot seines Freundes würden sie die Nachbarinseln erkunden und eine unbeschwerte Zeit verbringen. Danach gab es große Pläne...
    Der Alte seufzte schwer und schaute zu der einsamem, weißen Wolke an der Spitze des Heiligen Berges. Sie stand immer an der gleichen Stelle; als hafte sie dort fest. Wie eine Baumwollfluse an einem grünen Tuch. Selbst die heißeste Sonne und der stürmischste Wind vermoc hten nicht, sie zu vertreiben. Der alte Mann glaubte, dass diese Wolke aus den feuchten Atemdünsten des Waldes bestand und an der Spitze des Heiligen Berges hängen blieb, um ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, dass MorgenrotLand der richtige Ort war, um den Aufgang aller Sonnen zu erleben.
    Das Kiwitt und Tirilü der Vögel erfüllte den Singenden Baum, und ein mutiger Kakadu begann Kürbiskerne aufzupicken, und sie mit seinem kräftigen Schnabel zu knacken. Der Alte rührte sich nicht. Er spürte, dass der weiße Rabe ihn beobachtete und wartete, bis es geschah: Ein stummer Gast landete auf seinem Kopf. Leicht wie ein Blatt blieb er in wa llendem Haar, das von keinem Stirnband gebändigt wurde, sitzen und beäugte misstrauisch das Kopfnicken des

Weitere Kostenlose Bücher