Die Maya Priesterin
Nun standen sie vo r de n Trümmer n diese s Altars . E r wa r nich t nu r ei n Opfe r des Feuers geworde n . Vorhe r mußte n si e mi t Äxte n übe r ihn hergefalle n sein . W o lau t Cristóba l de r Alta r gestande n hatte, befan d sic h nu r n o c h ei n Haufe n Kleinholz . Dazwischen verbeult e Kelche , Glasscherben , Fetze n vo n Roben , Talaren, Weihrauchwedel n .
Fassungslo s stan d e r zwische n hal b verbrannte n Bänke n und den chaotischen Überresten des Altars. Währenddesse n streunte Herná n durc h di e Kapell e , anscheinen d ungerührt . Ho b hier eine n verkohlte n Balke n an , fuh r dor t mi t de m Ärme l übe r ein Mauerstück , u m ein e unte r Ru ß verborgen e Inschrif t z u lese n .
Auf einmal kam die Sonne zwischen den Wolken hervo r .
Zwische n de n zersplitterte n Reste n de s Dachstuhl s hindurch strömt e Mittagslich t i n di e Ruine . Hinter den Trümmern des Altar s began n ei n große r Gegenstan d golde n z u gleiße n .
Herná n hatt e de n Widerschei n sofor t bemerk t . Mi t wenigen Schritte n wa r e r hinte r de m Altar . »Cristóba l . Sie h doc h mal, wa s ic h ge f unde n habe .«
Sein Tonfall, tückische Sanftheit, verhieß wenig Gutes. Diego wollt e de m Taufprieste r eine n warnende n Blic k zuwerfen , aber Fra y Cr i s to achtete nicht auf ih n . Mit banger Miene hastete auch e r hinte r di e Trümme r de s einstige n Altars .
De r Pate r h ört e eine n Schre i . »Mutter ...« Cristóbals Stimme, tränenerstickt .
»Mit einem Beil, o we h .« Da s wa r de r Mestize , in mitfühlendem To n .
De r Pate r eilt e z u ihne n . Stolpert e übe r eine n Holzbrocken und stieß gegen einen verkohlten Betscheme l . Cristóbal schluchz t e . Endlic h wa r Dieg o u m de n Trümmerhaufe n herum . Und riß die Augen au f .
Herná n hiel t ein e lebensgroß e weiblich e Gestal t i m Ar m . Wie ein e Geliebte . Sie trug ein goldenes Gewand, weit und knöchellang , da s i m Sonnenlich t erstrahlte . Ihr e Arm e waren ausgebreite t z u de r typische n Gebärd e beschützende r Liebe . Mate r Mari a .
Verstör t starrt e de r klein e Taufprieste r au f di e Muttergotte s in Hernán s Ar m . E r liebt e si e mi t de r ganze n Inbruns t seines junge n Herzen s . Nun schien er einer Ohnmacht nah e . Sein Gesich t wa r le i chenfah l .
Di e Gottesmutte r wa r enthaupte t worde n . Un d nich t nu r das . Au f de n hölzerne n Hal s hatte n di e blasphemische n Missetäter eine n Tierkop f aufgepfropf t . Diego brauchte einen Moment, um ihn einzuordne n . Zumal die Verwesung schon weit fortgeschritte n wa r . Spitz e Schnauz e . Schmale r Schäde l . Struppige s graue s Fell .
»Ei n Dach s .« E r wa r ebe n rechtzeiti g nebe n Fra y Cristo , um ih n aufzufange n . Behutsam ließ er den kleinen Mönch zu Boden gleite n . Zog eine angeschmorte Priesterrobe unter einem Dachbalke n hervo r un d bettet e de n Ohnmächtige n darauf . Seine Gedanke n abe r ware n wei t vo n Cristóba l entfernt.
Mi t verschlagene r Mien e hockt e Herná n au f den Altartrümmer n . Neben ihm die Muttergottes, in goldenem Gewan d . Hohläugig glotzte der Dachsschädel ihn an, Stir n - und W angenknoche n teilweis e scho n freigeleg t durc h Verwesun g . Wer auch immer dieses Zerstörungswerk angerichtet hatte, dachte Fray Diego, beherrschte dieselbe Technik wie die Schlächte r vo n Sa n Benito . Irgendeinen Kunstgriff, der aasfressend e Tier e vo n de m Kada ve r abhielt . Tagelan g hatt e der Dachsschädel in der offenen Ruine gelegen, den Naturgewalten preisgegebe n . Un d doc h hatte n kei n Geier , nich t einma l Fliegen ode r Würme r sic h übe r da s Aa s hergemacht .
Unheimlich , dacht e Dieg o wieder . Natürlic h hatt e das makab re Arrangement auch ihn anfangs erschreck t . Beunruhigende r wa r di e Mischun g au s Raffiness e un d Barbarei, Kunstfertigkei t un d Zerstörungswu t . Offenkundi g ware n hier dieselbe n Täte r wi e i n Sa n Benit o a m Wer k gewese n . Auch wenn ihrem Vernichtungsdrang diesmal n u r ein e Heiligenfigur und ein Dachs zum Opfer gefallen ware n . Wies o eigentlic h ein Dachs ? überlegt e er . Sollt e di e Christenhei t stat t de r Mater Mari a vielleich t liebe r eine n Dachsgot t anbeten ? Mittlerweile traut e e r diese n Wilde n fas t jede n Aberglaube n z u . Währen d er noc h darübe r grübelte , stie g Unruh e i n ih m auf . Ein Dachs und ein e Heiligenfigur ? Unwahrscheinlich , da ß si e sic h mi t diesen symbolischen Tötungsakten begnügt hatte n
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