Die Maya Priesterin
alle n Ritze n de r Ruine . Waberte n durc h Tür - und Fensterlöcher und schwebten oben aus de m zerstörte n Dac h hervor . Verhängte n de n Him me l . Wickelte n sic h u m di e Wipfe l de r Bäum e . Sanke n übe r der Lichtun g wiede r hinab . Hüllte n auc h da s Holzhau s wi e in schwefelgelbe Tücher ei n .
Zwielich t . De r Pate r stan d hinte r seine r Luk e un d spähte hinau s . Di e Schlange n mocht e de r Damp f vertriebe n haben, dacht e er . Abe r denselben Nebel konnten andere nutzen, um sich unbemerk t anzuschleiche n . Raubkatze n . Oder die Horde des Anführers , desse n schlauchnasige r Götz e ohn e Zweife l noch imme r nac h Opfer n lechzte . Angestreng t sa h e r au f di e Lichtung hinau s . E s wa r kau m etwa s z u erkenne n . Alle Umrisse wurden ungewi ß . Di e Ding e verlore n ihr e Bedeutunge n . Und nahmen neue Bedeutungen a n . Flüchti g wi e fern e Erinnerunge n .
Di e Ruin e ei n gewaltige r Drachenkopf , di e Schnauz e zum Himme l gereck t . Di e Bäum e verdammt e Seelen , i n hölzerne Leibe r gepfercht . Ihre Arme erhoben oder ausgebreitet. Erstarrt in drohenden oder furchtsamen Gebärde n .
De r Nebe l wurd e imme r dichter . Dieg o blinzelt e . Für einen Moment schloß er die Auge n . Al s e r si e wiede r öffnete , stand vo r ih m i m gelbe n Dämm erlich t ein e jung e Fra u .
Si e stan d mitte n au f de r Lichtun g . I n weiße r Tunika . Was wollt e si e vo n ihm ? Ein e Mayafra u . Barfu ß . Reglos . Wi e eine Figur aus Stein. Argwöhnisch sah er sie durch seine Luke a n . Bereit , be i de m kleinste n verdächtige n Anzeiche n i n D eckung z u gehe n . Sucht e si e seine n Beistan d al s Priester ? Ode r hatt e sie etw a de n Auftrag , ih m da s Her z au s de r Brus t z u schneiden?
Langsa m ka m si e näher . Tra t au s de m gelbe n Nebe l wi e aus eine r fremde n Welt . Ers t al s si e vo r ih m stand , erkannt e er , wie h o chgewachse n si e war . Schlan k un d groß . Beinah e au f seiner Augenhöh e . Da s wa r höchs t ungewöhnlic h . Bishe r hatt e e r noch keinen Maya getroffen, der nicht zumindest einen Kopf kleiner wa r al s er . Un d dabe i wa r si e ein e Fra u .
Jetz t lächelt e sie . Er sah die winzigen Fältchen um ihre Auge n . Ei n Duf t gin g vo n ih r aus , leich t un d herb . E r hätte durc h di e Luk e greife n un d si e berühre n können , s o na h stand si e vo r ih m . Sonderbarerweis e spürt e e r de n Impuls , gena u das z u tu n . Ih r übe r da s Haa r z u streichen , ihre n dic h ten schwarzen Schop f . Wa s u m Himmel s wille n wa r lo s mi t ihm ? Si e wa r eine Wilde, ein braunes Heidenweib. Er lächelt e . Ohne im geringsten z u ahnen , warum .
Di e jung e Fra u grif f obe n i n ihr e Tunik a un d nestelt e ein Kreu z hervo r . Gro b geschnitzt , a n eine m Led e rband befestigt, da s si e u m de n Hal s tru g . Sie reckte ihm das Kreuz entgegen, mi t fragende m Blick . »Gewähr t Ih r mi r Obdach , Señor ? Bitte sehr , fü r ein e Nacht?«
Ih r Spanisc h klan g weic h un d guttura l . Sie sprach langsam, mi t bizarre r Betonun g . Als hätte sie nur diesen einen Spruch auswendi g gelern t . In einer Sprache, von der sie kein weiteres Wor t verstan d .
Ein e Falle , dacht e e r . Jetzt versuchen sie es auf diese Ar t . Anla ß zu m Argwoh n bo t si e jedenfall s genu g . Vielleich t wa r sie beauftragt , i m Schut z de r Nach t di e blutig e Ta t z u vollenden , bei de r di e Opferprieste r neulic h a m Cenot e gestör t worde n ware n .
Abe r si e wa r ein e einzeln e Fra u . Wi e sollt e si e ihnen gefährlic h werden? Und schließlich war er ein christlicher Priester . Verpflichtet, den Bedürftigen zu helfe n . Zumindest mußte er in Erfahrung bringen, ob sie in Not war und warum sie ei n Obdac h brauchte . Dann würde er entscheid e n . Mi t de r Hilfe de s Herr n .
E r nickt e ih r z u . Al s e r zu r Haustü r ging , wurd e ih m bewußt, da ß e r imme r noc h lächelte . Verwirrt öffnete er die Tü r .
Di e schwefelgelbe n Nebe l hatte n sic h gelichtet . I m Schei n der Abendsonne stand sie vor ihm. Doch ihr Gesicht w irkte plötzlic h verdüstert . Forschen d sa h si e ih n an , mi t großem, unbegreifliche m Ernst . I n ihre n Auge n au f einma l Zweifel, Hoffnungslosigkeit.
E r tra t zu r Seite , mi t einladende r Gebärde . Stum m gin g si e an ih m vorbe i in s Hau s .
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Die mittlere Kammer des Ho l zhauses sollte ihnen fortan als Refektorium diene n . Zwe i Bänk e stande n darin , ei
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