Die Maya Priesterin
Kreu z in s Gra s un d kauerte sic h darüber . E s wa r dasselb e rußschwarz e Kruzifix , da s Fray Dieg o vo r fün f Tage n au s de r Schlangengrub e gezoge n hatte . Herná n war nicht entgangen, daß der elfenbeinerne Heiland über de r Seekist e au f einma l verschwunde n war . Ein Priester ohne Kreuz , wi e sollt e ma n d a seine r Botschaf t trauen ? E s klan g nicht gerad e schmeichelhaft , fan d Dieg o . Abe r wahrscheinlic h hatte Herná n rech t . Di e Wilde n ware n a n a ufgepflanzte Götterbilder gewöhn t . Als o hatt e e r de m Mestize n erlaubt , da s Kreu z au s der Kapelle mitzunehme n .
»Fra g ihn , wa s e s mi t diese r Wan d au f sic h h a t .« Mi t dem Kin n deutet e Fra y Dieg o au f Jorg e .
De r stämmig e May a lie ß sic h mi t seine r Antwor t Zeit . Er lehnt e di e beide n Weihrauchwede l gege n eine n Baumstamm . Bedächti g löst e e r di e bunte n Bände r a n Stir n un d Schenkeln un d lie ß de n Seesac k z u Bode n gleit e n . » Tore j saanto j .« Mit scheuem Blick streifte er die Wand und sah gleich wieder we g . Ei n Stro m unverständliche r Wort e entquol l seine m Mun d . Sein sonst so ausdruckslo se s Gesich t sa h au f einma l ehrf ü rchti g au s .
»E r sagt , ei n heilige r Turm« , dolmetscht e de r Mestize . »Vor lange r Zei t erbaut . Von den alten Götter n .«
Empörung stieg in Fray Diego au f . Heiliger Turm? Was wollte n dies e Wilde n den n noc h alle s zu m Heiligtu m erklären? Un d wies o eigentlic h ei n Turm ? Dies e Wan d schie n weitaus breiter als hoc h . Si e erinnert e ehe r a n eine n Festungswal l . In eine m hatt e Jorg e allerding s recht : Da s Gebild e mußt e ural t sein . Älte r al s jede s Menschenwerk . Nich t vo n teuflischen Mayagötzen errichtet, sondern erschaffen von Gott dem Herr n .
»D u gehs t nac h links« , wie s e r de n Mestiz e n an , » Jorg e nach rechts . Folg t de m Verlau f diese s heilige n Turm s . Ic h will wissen , wi e wi r ih n umgehe n könne n .«
Herná n un d Jorg e machte n sic h au f de n We g . Auch der Pater hockt e sic h nu n in s Gras . Cristóba l holt e ein e Kürbisflasch e aus dem Taufbecke n . E r reichte sie Fray Diego, der mit gierigen Schlucke n tran k . Da s restlich e Wasse r schüttet e sic h Cristóbal übe r de n Kopf , de r imme r noc h glühte . Wede r de r Pate r noch der Taufpriester sprachen ein Wor t . Fray Diego war sich bewußt , da ß e r Cristóba l i n de n letz t e n Tage n ausgewiche n war . Sei n Verhalte n nac h de m Verschwinde n vo n Ixkuku l mußt e dem kleine n Mönc h nac h wi e vo r rätselhaf t sei n . So rätselhaft wie dies e Wan d mitte n i m Wald .
De r Pate r zo g da s angeschmort e Büchlei n hervor , da s Hernán nach der Schlangenvertr eibun g i n de r Ruin e entdeck t hatte . Erbauliche Aufzeichnungen von Pater Ramó n . Di e i m letzten Dritte l de s Heftchen s entschiede n blasphemische n Charakter annahme n . Gnade seiner Seele. Immerhin ging aus den Notizen hervor , welch e Dschungeldörfe r Ramó n missi o nier t hatte . Und welch e Siedlunge n seine n Bemühunge n getrotz t hatte n .
Behutsa m wendet e Fra y Dieg o di e Seite n . San Pedro. Für Christu s gewonne n i m Novembe r 169 5 A . D . Einen »heiligen Turm« vor dieser Siedlung hatte Pater Ramó n nich t erwähnt . Allerdings waren au f manche n de r rußgeschwärzte n Seite n nur noch wenige Zeilen zu entziffer n . Zwischen sachlichen Beobachtunge n un d metaphysische n Spekulatione n hatt e der alt e Pate r imme r wiede r Weisheite n au s de r Heilige n Schrift notier t . »Viele Tausende Krieger fürchte ic h nicht , auc h wenn si e mic h ringsu m belagern , Psalme n Davids« . Sei t e r begonnen hatte , i n de m Büchlei n z u lesen , empfan d Fra y Dieg o eine gewiss e Seelenverwandtschaf t mi t seine m Vorgänger . » Viele gibt es, die von mir sagen: ›Er findet keine Hilfe bei Go t t . ‹«
Vorsichti g klappt e e r da s Büchlei n wiede r z u . Auf seiner rechte n Schläf e spürt e e r de n Blic k de s Taufpriesters . Erwartungsvoll . Au f ein e Erklärun g hoffen d . Abe r e r selbst hatt e bi s heut e kein e Erklärun g gefunde n . Jedenfall s keine , die ih m akzeptabe l s chie n .
Nac h Ixkukul s Verschwinde n hatt e e r sic h i n sein e Kammer eingeschlosse n . Anfang s lie ß e r nich t einma l Hernán zu sic h . Er haderte mit sich und seinem Schicksa l . Seine r Feigheit . Seinem Kleinmut . Seine r Got t - un d Menschenfern e . Mehrfach war er nah e da ran , seine m
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