Die Maya Priesterin
Zei t sa h e r si e einfac h nu r a n . Erleichterung durchströmt e ih n . I n al l de n Tagen , sei t e r mi t lahme n Beine n zu sic h gekomme n war , ha t ten in seinem Inneren Schmerz und Entsetze n gelauert . Abe r e r hatt e sic h verboten , diese n Gefühlen auc h nu r eine n Augenblic k nachzugebe n . Was wäre, wenn er für imme r gelähm t bliebe ? E r hatt e sic h untersagt , auc h nu r von ferne über diese grauenvolle Möglic h kei t nachzudenke n . Der Zaube r würd e weichen , da s Gif t würd e sic h verflüchtigen , und dami t würd e auc h di e Lähmun g verschwinde n wi e ei n Spu k . Abe r j e länge r de r Ban n anhielt , dest o wenige r hatt e e r selbst noc h a n dies e Wendun g geglaubt .
»Heil t mich , ic h bit t e Euc h vo n ganze m Herzen« , sagt e e r .
»Wen n ic h wiede r au f eigene n Füße n stehe n kann , werd e ich Euc h erzählen , wohe r ic h vo n Tayasa l weiß . Und warum es mic h dorthi n zieh t .«
Wiede r lächelt e si e . Wissend , wi e ih m nu n schie n . Wa s wußte dagege n e r vo n Tayasal ? S o gu t wi e ga r nichts . Kau m mehr , als er einer bizarren Notiz in Pater Ramón s Aufzeichnungen entnehme n konnte . Be i de r e s i m übrige n auc h u m eine n Fall vo n Lähmun g gin g . Er hatte sie so oft gelesen, daß er den Wortlau t auswendi g kannte .
»Schon 1524 A . D . h a t Herná n Corté s de m sagenhaften Tayasal einen Besuch abgestatte t . I n eine m zeitgenössischen Bericht heißt es: ›Die Indianer von Tayasal glauben, daß ihr König , de n si e Canek , Schwarze Schlange, nennen, unsterblich se i un d sic h i m jeweilige n Herrsche r wied erverkörpere . Einer der Begleiter von Corté s lie ß be i ihne n ei n lahme s Pfer d zurüc k .
Corté s versprach ihrem Hohepriester, der bei ihnen Lahkin, End e Sonne , heißt, den Gaul so bald wie möglich wieder abzuholen . Ein launiges Versprechen, das der Konquistador, durc h di e Eroberun g bedeutendere r Landstrich e beansprucht, niemal s eingelös t ha t . ‹«
Nun , inzwische n wa r e s dafü r ohnehi n z u spät , dacht e Dieg o . Immerhin waren seit damals einhundertzweiundsiebzig Jahre vergange n .
Da s gesamt e Lan d wa r vo n Küst e z u Küst e l ängs t in christliche r Han d . Das sogenannte letzte Königreich der Maya konnt e als o nicht s Bedeutendere s meh r darstelle n al s einige Dutzend Buschhütte n . Regiert von einem verfetteten Häuptling, de r sic h fü r eine n wiedergeborene n Götzenköni g hielt .
Ei n wüten d e r Babyschre i ri ß ih n au s seine n Gedanke n . Das Gebärhau s . Ei n neue s Menschlei n wa r gebore n worde n . Unwillkürlich erwiderte er Ixtz'aks Lächel n . Si e anzusehen tröstet e ih n mehr , al s e r sic h eingestehe n wollte . Noc h eh e der Schre i verklunge n war , stimmt e mi t dünnere r Stimm e ein zweiter Säugling ei n . »Lot« , sagt e Ixtz'a k gedämpft . E s klang ehrfürchti g . E r verstan d nicht . Fragen d sa h e r si e a n .
»Zwillinge« , erklärt e si e . »Seit ältester Zeit verehren die Maya all e Zwillingspaar e al s Verkörperun g vo n lo t b'alu m. Den göttlichen Jaguarzwillingen, die vor vielen Zeitaltern die Todesgötte r i n di e Schranke n wiese n .«
»Jaguarzwillinge?« Diesmal war es Diego, der aufhorchte. In K'ak'as - 'ich waren die Jaguarzwillinge aus dem Rachen des steinernen Krokodils gesprunge n . I n den Händen ein riesiges Netz, in dem er und seine Gefährten sich verfangen hatte n . Schon dort hatte er überlegt, ob sich hinter dem sonderbaren Schauspiel eine heidnische Überlieferung verbar g . »Un d wie haben die beiden das angestellt d i e Todesgötte r i n di e Schranken z u weisen?«
Di e Zwilling e hinte r de r Hüttenwan d schrie n sic h di e Lungen aus den Leiber n . Mi t alle m hätt e e r gerechnet , nu r nich t mi t der Antwort , di e e r nu n erhielt .
»Durch ein Ballspie l . Die Jaguarzwillinge sind gegen die Todesgötte r angetrete n .« Noc h imme r lächelt e sie . Spottfunken glommen in ihren Auge n . Si e versucht e nich t einma l meh r zu verbergen, daß seine Verwirrung sie amüsierte. »Die lo t b'alum habe n gesiegt« , fuh r si e for t . »Wen n auc h nu r mi t de r Hilfe eines Kaninchens. Sei t ihre m Sie g kan n jede r Maya wiedergebore n werde n . Je nach seinen Verdienste n . In einer der zweiundzwanzi g Götterwelte n . Ode r noc h einma l hie r i n Mayab . I n de r Menschenwelt .«
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Ei n Geruc h nac h feuchte m Hol z un d Moos . Zögern d führt e er de n Beche r
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