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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Moos wurde durchsichtig, Schleier um Schleier aus Moos. Die Vögel, hör nur, wie die Vögel weinen. Die obersten Äste waren dünn und von Netzen bedeckt, von silbrigen Netzen; waren das Spinnen oder Seidenraupen?
    »Ich sehe durchaus den Zauber dieser Gegend«, sagte Mona. »Wenn bloß das Haus nicht umkippen würde.«
    Mama.
    Ich bin hier, Morrigan.
    Auf der Straße hinter ihr war ein Geräusch. O Gott, Mary Jane kam auf sie zugerannt, ganz allein im Dunkeln.
    Und diese Evolutionstheorie soll absolut jede Spezies erklären, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Planeten existiert? Ich meine, es gibt nicht vielleicht eine Sekundärtheorie über spontane Entwicklung?
    Sie schüttelte sich wach. Sie wußte überhaupt keine Antwort auf diese Frage. Ehrlich gesagt, die Evolution war ihr nie besonders logisch vorgekommen. Die Wissenschaft ist an einem Punkt angelangt, wo wieder einmal unterschiedliche Glaubensrichtungen, die man früher als metaphysisch verdammt hat, absolut möglich sind.
    Mary Jane kam aus der Finsternis; sie rannte wie ein kleines Mädchen und hielt ihre hochhackigen Schuhe mit den Fingern der rechten Hand. Vor Mona blieb sie stehen, beugte sich vornüber, um nach Luft zu schnappen, und dann sah sie Mona an.
    »Meine Güte, Mona Mayfair«, sagte sie unter sorgenvollem Japsen, und ihr hübsches Gesicht glänzte unter einer dünnen Schweißschicht, »ich muß dich schleunigst in dieses Haus schaffen.«
    »Deine Strumpfhose ist zerrissen.«
    »Na, das will ich hoffen«, sagte Mary Jane. »Ich hasse die Dinger.« Sie hob die Kühlbox auf und lief den Steg hinunter. »Komm schon, Mona, beeil dich, sonst stirbst du mir gleich hier.«
    »Würdest du bitte aufhören? Das Baby kann dich hören!«
    Sie hörte ein lautes Klatschen. Mary Jane hatte die Box ins Boot gehievt. Also war da ein Boot. Mona bemühte sich, möglichst schnell über die knarrenden, splitternden Planken zu laufen, aber jeder Schritt bereitete ihr Höllenqualen. Und dann, plötzlich, fing es wirklich an. Das mußte es sein: Es war soweit. Wie ein Peitschenhieb umschlang der Schmerz vom Kreuz her ihre Taille, oder was von ihrer Taille noch übrig war. Sie erstarrte und biß die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien.
    Mary Jane rannte bereits mit der zweiten Ladung zurück zum Boot.
    »Ich möchte dir helfen«, sagte Mona, aber sie bekam das letzte Wort fast nicht heraus. Langsam ging sie bis an den Rand des Steges; sie war froh, daß sie ihre flachen Slipper angezogen hatte, obwohl sie sich gar nicht daran erinnern konnte. Dann sah sie die breite, flache Piroge; Mary Jane stellte eben den letzten Sack hinein und kippte Kissen und Decken hinterher.
    »Jetzt gib mir die Laterne und bleib hier stehen, bis ich zurückgesetzt habe.«
    »Mary Jane, ich hab irgendwie, na ja, sozusagen ein bißchen Angst vor dem Wasser. Ich meine, ich fühle mich ziemlich unbeholfen, Mary Jane. Ich weiß nicht, ob ich da in dieses Boot klettern sollte.«
    Wieder blitzte der Schmerz auf. Mama, ich liebe dich. Ich habe Angst.
    »Na, hab keine Angst, sondern halt die Klappe!« sagte Mona.
    »Was hast du gesagt?« fragte Mary Jane.
    Mary Jane sprang in die große Metallpiroge, packte die lange Stange, die irgendwie an der Seite befestigt gewesen war, und schob das Boot mit ein paar schnellen Stößen zurück. Die Laterne stand ganz vorn im Bug; anscheinend war dort eigens für sie eine kleine Bank. Die ganze Ladung lag hinter Mary Jane.
    »Komm schon, Honey, mach einfach einen Schritt herein, ganz flink. Ja, so ist es richtig – mit beiden Füßen.«
    »O Gott, wir werden ertrinken.«
    »Nein, Darlin’, das ist Quatsch. Das Wasser ist hier höchstens anderthalb Meter tief. Wir werden vielleicht dreckig, aber ertrinken werden wir nicht.«
    »Ich könnte locker in anderthalb Meter Wasser ertrinken«, behauptete Mona. »Und das Haus, Mary Jane, guck dir doch das Haus an!«
    »Was ist damit?«
    Die Welt hörte barmherzigerweise auf zu schaukeln. Mona hielt Mary Janes Hand so fest umklammert, daß es wahrscheinlich weh tat. Und jetzt mußte Mary Jane loslassen. Okay, ganz cool! Mary Jane packte die Stange mit beiden Händen, und sie entfernten sich vom Steg.
    »Aber Mary Jane, guck doch, Mary Jane!«
    »Ja, so ist es richtig. Wir fahren keine zwanzig Meter weit. Du brauchst nur ganz ruhig stehen zu bleiben. Das hier ist eine große, solide Piroge. Die bringt nichts zum Kentern. Du kannst dich hinknien, wenn du willst; du kannst dich sogar setzen. Aber die Mühe kannst du

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