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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Löcher.
    »Die Wände sind Ziegelmauern, mach dir da keine Sorgen – jede einzelne Mauer, drinnen, draußen, Ziegelsteine, genau wie in der First Street.« Mary Jane band das Boot fest. Anscheinend waren sie wirklich auf einer Treppenstufe gestrandet. Das Boot schaukelte nicht mehr. Mona klammerte sich am Geländer fest; vor dem Aussteigen hatte sie genauso viel Angst wie davor, im Boot zu bleiben.
    »Geh schon hinauf; ich bringe den Plunder nach. Geh rauf und geradewegs durch nach hinten und sag Granny guten Tag. Mach dir keine Sorgen um deine Schuhe; ich hab jede Menge trockener Schuhe. Ich bringe dir alles.«
    Vorsichtig und mit leisem Stöhnen beugte Mona sich vor, packte das Geländer mit beiden Händen und trat aus dem Boot. Unbeholfen zog sie sich hoch, bis sie wohlbehalten auf der Stufe stand und die trockene Treppe vor ihr lag.
    Wenn das Haus nicht schief gewesen wäre, hätte sie sich jetzt völlig sicher gefühlt, dachte sie. Und unversehens stand sie da, die eine Hand auf dem Geländer, die andere links am weichen, schwammigen Putz der Wand, schaute in die Höhe und fühlte das Haus um sich herum, fühlte seine Fäulnis, seine Kraft und seine störrische Weigerung, in dieses alles verschlingende Wasser zu fallen.
    Es war ein massives, robustes Ding, das nur ganz langsam nachgab und vielleicht für alle Zeit in dieser Schräglage verharren würde. Aber wenn sie an den Modder dort unten dachte, wußte sie nicht, warum sie nicht auf der Stelle beide hinabgesogen wurden, wie zwei Filmschurken auf der Flucht in den Treibsand.
    »Geh schon hoch«, sagte Mary Jane, die bereits einen Sack vor Mona auf die nächsthöhere Stufe gewuchtet hatte. Rumms, wumms. Das Mädchen war wirklich flott.
    Mona setzte sich in Bewegung. Ja, fest und erstaunlich trocken, als sie oben ankam, trocken, als wäre die Sonne an diesem Frühlingstag glühend heiß gewesen und habe, hier gefangen, die Bodendielen ausgebleicht, sieh doch, ja, ausgebleicht wie Treibholz.
    Dann stand sie oben im ersten Stock. Sie schätzte, daß der Winkel hier weniger als fünf Prozent betrug, aber es genügte, um einen verrückt zu machen. Sie machte schmale Augen, um das hintere Ende des Korridors besser erkennen zu können. Wieder so eine großartige, wunderschöne Tür. Unter der Decke baumelten Glühbirnen an kreuz und quer gespannten Drähten. Und Moskitonetze, so sah es jedenfalls aus, jede Menge davon, und das weiche elektrische Licht fiel hübsch und gleichmäßig hindurch.
    Mona tat ein paar Schritte und drückte sich dabei an die Wand, die sich hier oben tatsächlich fest und trocken anfühlte; dann hörte sie vom Ende des Ganges her ein leises kleines Lachen, und als Mary Jane mit der Laterne heraufkam und sie oben an der Treppe neben einen Sack stellte, sah Mona ein Kind dort hinten in der Tür stehen.
    Es war ein Junge, sehr dunkelhäutig, mit großen, tintenschwarzen Augen, weichen schwarzen Haaren und einem Gesicht wie ein kleiner Hindu-Heiliger.
    »Hey, du, Benjy, komm her und hilf mir mit diesem ganzen Zeug. Du mußt mir helfen!« schrie Mary Jane.
    Der Junge schlenderte heran; als er näherkam, sah man, daß er gar nicht so klein war. Er war wohl fast so groß wie Mona, was natürlich nicht viel bedeutete, denn Mona hatte die einsfünfundfünfzig noch nicht erreicht und würde es vielleicht nie mehr schaffen.
    Er war eins jener wunderschönen Kinder mit einer Blutmischung von geheimnisvoller Vielfalt – afrikanisches, indianisches, spanisches, französisches und wahrscheinlich auch Mayfair-Blut. Mona hätte ihn gern angefaßt, seine Wange berührt, um zu sehen, ob seine Haut sich so anfühlte, wie sie aussah: wie sehr, sehr feines, gegerbtes Leder. Sie erinnerte sich an etwas, das Mary Jane erzählt hatte – daß er sich in der Stadt verkaufte -, und in einem kurzen Aufstrahlen von geheimnisvollem Licht sah sie violett tapezierte Zimmer, Lampenschirme mit Fransen, dekadente Gentlemen wie Onkel Julien in weißen Anzügen und ausgerechnet sich selbst im Bett mit diesem anbetungswürdigen Knaben!
    Verrückt. Der Schmerz ließ sie wieder erstarren. Sie hätte an Ort und Stelle zusammenbrechen mögen, aber sie hob sehr bedächtig erst den einen, dann den anderen Fuß. Und richtig, da waren die Katzen, du lieber Gott, Hexenkatzen, große, langschwänzige, pelzige Katzen mit dämonischen Augen. Es mußten fünf Stück sein, die da an der Wand entlanghuschten.
    Der schöne Knabe mit dem schwarzglänzenden Haar schleppte zwei Säcke mit

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