Die Mayfair-Hexen
Lebensmitteln vor ihr her den Gang hinunter.
Ihre Schuhe waren patschnaß. Sie würde umfallen.
»Bist du das, Mary Jane? Benjy, ist das mein Mädchen? Mary Jane!«
»Ich komme schon, Granny, ich komme. Was machst du denn?«
Mary Jane rannte an ihr vorbei und hielt die Eisbox unbeholfen vor sich; ihre Ellbogen flatterten, und ihr langes, flachsblondes Haar wehte hinter ihr her.
»Hey, Granny!« Sie verschwand um die Ecke. »Was machst du?«
»Ich esse Graham-Cracker und Käse. Willst du auch was?«
»Nein, jetzt nicht, gib mir ‘n Kuß, Fernseher kaputt?«
»Nein, Honey, ich hab nur keine Lust mehr. Benjy schreibt meine Lieder auf, während ich singe. Benjy!«
»Hör mal, Granny, ich muß noch mal los; ich hab Mona Mayfair mitgebracht. Ich muß sie auf den Dachboden bringen, wo es richtig warm und trocken ist.«
»Ja, o ja, bitte«, wisperte Mona und lehnte sich an die Wand, die sich von ihr wegneigte. Ja, auf so einer schrägen Wand konnte man beinahe liegen. Ihre Füße pochten, und der Schmerz kam wieder.
Mama, ich komme.
Warte noch, Sweetheart, nur noch eine Treppe.
»Du bringst Mona Mayfair hier herein. Bring sie her.«
»Nein, Granny, jetzt nicht.«
Mary Jane kam aus dem Zimmer geflogen; der weite weiße Rock schlug gegen den Türrahmen, und sie streckte Mona die Arme entgegen.
»Gleich weiter rauf, Honey, geradewegs nach oben, dreh dich nur um.«
Man hörte ein Rascheln und ein Trappeln, und als Mary Jane sie umdrehte und zur nächsten Treppe zeigte, sah Mona eine winzigkleine Frau, die dort hinten aus dem Zimmer gewieselt kam. Ihr graues Haar war zu langen, losen Zöpfen mit Schleifen an den Enden geflochten. Sie hatte ein Gesicht wie aus zerknülltem Tuch mit erstaunlichen, kohlschwarzen Augen, das sichtlich gutgelaunt in Falten gelegt war.
»Muß mich beeilen«, sagte Mona und bewegte sich, so schnell sie konnte, am Geländer entlang. »Mir wird schlecht, weil hier alles so schief ist.«
»Dir wird schlecht, weil du ein Baby kriegst.«
»Lauf du nur vor und mach Licht!« schrie die alte Frau und packte Monas Arm mit einer erstaunlich festen, trockenen kleinen Hand. »Warum hast du mir nicht gesagt, daß dieses Kind schwanger ist? Gott, das ist ja Alicias Kind, das beinah gestorben wäre, als sie ihm den sechsten Finger abgeschnitten haben!«
»Ich hatte einen sechsten Finger?« fragte Mona.
»Allerdings, den hattest du, Honey, und fast wärst du in den Himmel gekommen, als sie dich eingeschläfert haben. Das hat dir keiner erzählt? Wie die Krankenschwester dir die Spritze zweimal gegeben hat? Wie dein Herz beinah stehen geblieben ist, und wie Evelyn kam und dich gerettet hat?«
Benjy flitzte vorbei und die Treppe hinauf; seine nackten Füße klangen staubig auf den blanken Holzstufen.
»Nein, das hat mir keiner erzählt. O Gott, der sechste Finger!«
»Aber begreifst du denn nicht – das wird dir helfen!« erklärte Mary Jane. Sie waren jetzt auf der Treppe. Es schienen höchstens hundert Stufen zu sein bis zum Licht dort oben und bis zu Benjy, der das Licht eingeschaltet hatte und jetzt langsam und träge herunterkam, obwohl Mary Jane ihn schon wieder anbrüllte.
Granny war unten an der Treppe stehen geblieben. Ihr weißes Nachthemd streifte über den schmutzigen Boden. Ihre schwarzen Augen musterten Mona berechnend. Eine echte Mayfair, dachte Mona.
»Benjy, hol die Decken und die Kissen und das ganze Zeug«, sagte Mary Jane. »Beeil dich. Und die Milch, bring auch die Milch.«
»Aber einen Augenblick mal«, rief Granny. »Dieses Mädchen sieht nicht so aus, als ob sie Zeit hätte, noch eine Nacht auf dem Dachboden zu verbringen. Sie gehört ins Krankenhaus. Wo ist der Laster? Ist der Laster am Steg?«
»Vergiß es! Sie wird das Baby hier bekommen!« rief Mary Jane.
»Mary Jane!« schrie Granny. »Verdammt, ich kann doch mit meiner Hüfte nicht mehr die Treppe raufklettern!«
»Geh du nur wieder ins Bett, Granny. Benjy soll sich mit dem Zeug beeilen. Benjy, ich bezahle dich nicht!!!!!«
Sie stiegen weiter die Treppe zum Dachboden hinauf, und mit jedem Schritt wurde die Luft wärmer.
Es war ein riesiger Raum.
Das gleiche Gewirr von elektrischen Lichtleitungen, das sie auch unten gesehen hatte, und schau nur diese Überseekisten und Schrankkoffer in jedem. Giebel. In jedem bis auf einen, in dem ein Bett stand, und daneben eine Öllampe.
Es war ein großes Bett aus jenem dunklen, schlichten Holz, das man auf dem Land so oft benutzte. Der Baldachin war nicht mehr da; nur
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