Die Mayfair-Hexen
ihr zu verbergen.
Wenn du das tust, Rowan, dachte sie, dann wirst du Michael für immer verlieren. Und langsam senkte sie den Blick und ging leise weiter.
»Es ist ein magischer Ort«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Aber ich kann es kaum erwarten, mit Ihnen zu reden und Ihre Geschichte zu hören. Ich besuche dieses Museum besser ein andermal.«
»Ja, natürlich. Michael ist jetzt auch wach, und er dürfte gleich zu Ende gefrühstückt haben. Warum fahren wir nicht hinauf? Ich bin bereit für die Qual. Ich bin bereit für das seltsame Vergnügen, alles zu erzählen.«
Sie sah zu, wie er die große französische Puppe wieder in die Vitrine stellte. Noch einmal strichen seine dünnen Finger mit flinker, geschäftiger Bewegung über Haare und Kleid. Dann drückte er einen Kuß auf die Fingerspitzen und gab ihn der Puppe. Er schloß die Glastür, drehte den kleinen goldenen Schlüssel um und steckte ihn ein.
»Sie sind meine Freunde«, sagte er und wandte sich zu Rowan um. Er langte an ihr vorbei nach dem Aufzugknopf. »Ich glaube, ich fange an, Sie zu lieben. Eine gefährliche Sache.«
»Ich möchte nicht, daß es gefährlich ist«, sagte sie. »Ich stehe zu sehr unter Ihrem Bann, um zu wollen, daß unser Wissen übereinander jemanden verletzen oder enttäuschen könnte. Aber sagen Sie mir, was den heutigen Stand der Dinge angeht – lieben Sie uns beide?«
»O ja«, sagte er. »Sonst würde ich Sie auf den Knien anflehen, mit Ihnen schlafen zu dürfen.« Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Ich würde Ihnen folgen bis ans Ende der Welt.«
Sie wandte sich ab und trat in den Fahrstuhl; ihr Gesicht glühte, und ihre Gedanken gerieten ins Schwimmen. Noch einmal schimmerten die Puppen in ihrem ganzen Staat herrlich auf, bevor die Tür sich schloß.
»Es tut mir leid, daß ich Ihnen das gesagt habe«, flüsterte er schüchtern. »Es war unehrlich, es Ihnen zu sagen und es zugleich zu bestreiten. Es war falsch.«
Sie nickte. »Aber ich verzeihe Ihnen«, sagte sie leise. »Es ist zu… schmeichelhaft. Ist das das richtige Wort?«
»Nein. ›Faszinierend‹ ist das Wort, das Sie suchen. Vielleicht auch ›verlockend‹, aber nicht unbedingt schmeichelhaft. Und Sie lieben ihn aus so tiefem Herzen, daß ich das Feuer spüren kann, wenn ich mit Ihnen zusammen bin. Ich will das. Ich will, daß Ihr Licht mich bescheint. Ich hätte diese Worte nie aussprechen dürfen.«
Sie gab keine Antwort. Wenn ihr etwas eingefallen wäre, hätte sie es vielleicht gesagt, aber sie wußte nichts. Gleichwohl konnte sie sich nicht vorstellen, jetzt von Ash getrennt zu werden, und sie glaubte auch nicht, daß Michael es konnte. In gewisser Weise hatte es den Anschein, als brauche Michael ihn mehr als sie, auch wenn Michael und sie eigentlich keinen Augenblick Zeit gehabt hatten, um über diese Dinge zu reden.
Als die Tür aufglitt, sah sie ein großes Wohnzimmer vor sich. Der Boden war mit rosa- und cremefarbenem Marmor gefliest, und die großen, behaglichen Ledersessel waren die gleichen wie im Flugzeug.
Und wieder versammelten sie sich um einen Tisch; nur war es diesmal ein sehr niedriger Tisch mit einem runden Dutzend kleiner Schalen mit Käse und Nüssen und Früchten und Broten, die sie im Laufe der kommenden Stunden vielleicht essen würden.
Ein großes, kühles Glas Wasser war alles, was sie im Augenblick brauchte.
Michael trug seine Hornbrille und eine Norfolk-Jacke aus verschlissenem Tweed; er war über die New York Times vom Tage gebeugt.
Erst als sie beide saßen, riß er sich von der Zeitung los, faltete sie säuberlich zusammen und legte sie beiseite.
Sie wollte nicht, daß er die Brille abnahm; er gefiel ihr damit zu gut. Und plötzlich mußte sie lächeln, als ihr klar wurde, daß sie es eigentlich genoß, diese beiden Männer links und rechts neben sich zu haben.
Vage Fantasien von einer ménage à trois schwirrten ihr durch den Kopf; aber nach allem, was sie wußte, funktionierte so etwas nie richtig, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß Michael es tolerieren oder sich daran irgendwie beteiligen würde. Im Grunde war es viel reizvoller, sich die Dinge so vorzustellen, wie sie wirklich waren.
Du hast noch einmal eine Chance mit Michael, dachte sie. Du weißt, daß es so ist, unabhängig von allem, was er vielleicht denkt. Wirf nicht die einzige Liebe weg, die dir je wirklich wichtig war.
Michael hatte seine Brille abgenommen, sich zurückgelehnt und die Beine
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