Die Mayfair-Hexen
aggressiv war. Insofern hatten sie selbst dazu beigetragen, daß sie geworden waren, was sie waren.
Unsere erste Zeit im Glen von Donnelaith – und lassen Sie mich hier einfügen, daß wir ihm diesen Namen gegeben haben – war eine Zeit des intensiven Nachdenkens und der Diskussionen, in der wir einen Kreis bauten, so gut wir konnten, ihn weihten und beteten.
Wir feierten die Geburt zahlreicher neuer Taltos, und diese schulten wir tatkräftig für die Strapazen, die vor ihnen lagen. Viele begruben wir, die an alten Wunden gestorben waren. Aber wir begruben auch andere, die nach der Vertreibung aus Salisbury einfach nicht mehr leben wollten.
Es war die Zeit des schlimmsten Leids für mein Volk, schlimmer noch, als es das Massaker gewesen war. Ich sah, wie starke Taltos – weißhaarig, große Sänger – sich vollständig ihrer Musik überließen und schließlich leblos ins hohe Gras sanken.
Schließlich wurde ein neuer Rat aus Neugeborenen und weiseren Taltos einberufen, aus Weißhaarigen und solchen, die etwas an diesem Zustand ändern wollten, und wir kamen zu der einzig folgerichtigen Lösung.
Können Sie sich denken, wie sie aussah?
Wir begriffen, daß die Menschen ausgerottet werden mußten. Würden sie es nicht, würden sie mit ihrem Krieg alles zerstören, was der gute Gott uns geschenkt hatte. Sie verbrannten alles Leben mit ihrer Kavallerie, mit ihren Fackeln und Schwertern. Wir mußten sie vernichten.
Was die Wahrscheinlichkeit betraf, daß sie überall in fernen Ländern in großen Scharen existierten – nun, wir vermehrten uns viel schneller als sie, nicht wahr? Wir konnten unsere Toten schnell ersetzen. Sie brauchten Jahre, um einen Ersatz für einen gefallenen Krieger zu haben. Gewiß konnten wir ihnen zahlenmäßig überlegen sein, wenn wir mit ihnen kämpften, wenn wir nur… wenn wir das Kämpfen nur ertragen könnten.
Nach endlosen Diskussionen kamen wir binnen Wochenfrist zu dem Schluß, daß wir es nicht konnten. Einige von uns vielleicht; wir waren so wütend und von Haß und Ironie erfüllt, daß wir imstande waren, sie nieder zu reiten und in Stücke zu hacken. Aber für gewöhnlich konnte der Taltos nicht so einfach töten; die bösartige Mordlust der Menschen konnte er nicht erreichen. Und das wußten wir. Die Menschen würden am Ende siegen, durch schlichte Niedertracht und Grausamkeit.
Natürlich ist es seitdem – und sicher auch tausendmal vorher – vorgekommen, daß ein Volk ausgerottet wurde, weil es ihm an Aggression mangelte oder weil es der Grausamkeit eines anderen Stammes, Clans oder Volkes nichts entgegenzusetzen ‘ hatte.
Der einzige wirkliche Unterschied in unserem Fall bestand darin, daß wir es wußten. Während die Inkas in völliger Ahnungslosigkeit von den Spaniern niedergemetzelt wurden, verstanden wir viel besser, was vor sich ging.
Selbstverständlich waren wir sicher, daß wir den Menschen überlegen seien; es war uns unbegreiflich, daß sie unseren Gesang und unsere Geschichten nicht zu schätzen wußten. Wir glaubten, daß sie gar nicht richtig begriffen, was sie taten, wenn sie uns niederschlugen.
Und da uns klar war, daß wir ihnen im Kampf nicht gewachsen waren, nahmen wir an, daß wir sie mit Argumenten würden überzeugen können, daß wir sie lehren und ihnen zeigen könnten, um wie viel schöner und angenehmer das Leben war, wenn man nicht mordete.
Aber natürlich hatten wir sie noch lange nicht verstanden.
Als das Jahr zu Ende ging, hatten wir gewagt, das Glen zu verlassen und ein paar Menschen gefangen zu nehmen; von ihnen erfuhren wir, daß die Lage sehr viel hoffnungsloser war, als wir gedacht hatten. Das Morden war die Grundlage ihrer Religion, es war für sie ein heiliger Akt!
Für ihre Götter töteten sie, und bei ihren Ritualen opferten sie Hunderte ihrer eigenen Art. Ja, der Tod stand im Zentrum ihres Lebens!
Wir waren vom Grauen überwältigt.
Wir kamen zu dem Schluß, daß es ein Leben für uns nur im Glen gab. Was die anderen Taltos-Stämme anging, so fürchteten wir das Schlimmste für sie. Bei unseren kleinen Streifzügen auf der Suche nach menschlichen Gefangenen hatten wir mehr als ein niedergebranntes Dorf gesehen, mehr als einen Acker voll verrottender, sehniger Taltos-Gebeine, die der Winterwind auseinander trieb.
Die Jahre vergingen, und wir blieben wohlbehalten im Glen und wagten uns nur mit äußerster Vorsicht hinaus. Unsere tapfersten Späher reisten so weit, wie sie nur wagten, und am Ende des Jahrzehnts wußten
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