Die Mayfair-Hexen
unangenehme Gespräch vorüber ist.«
»Ash, du hättest ihnen niemals so nah kommen dürfen, hättest ihnen niemals erzählen dürfen, was du ihnen erzählt hast. Und dann der Zigeuner – läßt ihn einfach zur Talamasca zurücklaufen.«
»Yuri? Was sollte ich denn tun? Wie hätte ich ihn denn daran hindern sollen, zur Talamasca zurückzukehren?«
»Du hättest ihn nach New York locken und ihn auf irgendeine Weise für dich arbeiten lassen können. Sein Leben war zerbrochen, aber du schickst ihn nach Hause und läßt ihn Bände vollschreiben über das, was passiert ist. Zum Teufel, er hätte dir ein Gefährte sein können.«
»Das war nicht das Richtige für ihn. Er mußte nach Hause.«
»Natürlich war es das Richtige für ihn. Und für dich war er auch der Richtige – ein Ausgestoßener, ein Zigeuner, der Sohn einer Hure.«
»Bitte laß deine Rede doch nicht so anstößig und vulgär klingen. Du machst mir angst. Weißt du, es war Yuris Entscheidung. Hätte er nicht zurückgehen wollen, dann hätte er es gesagt. Der Orden war sein Leben. Er mußte zurück, zumindest um alle Wunden zu heilen. Und danach? Er wäre nicht glücklich geworden hier in meiner Welt. Puppen sind reine Magie für den, der sie liebt und versteht. Für andere sind sie nicht einmal Spielzeug. Yuri ist ein Mann mit groben, nicht mit subtilen spirituellen Qualitäten.«
»Das hört sich gut an«, sagte Samuel. »Aber es ist Blödsinn.« Er wartete, während der Kellner ihm einen neuen Drink vorsetzte. »Deine Welt ist voll von Dingen, die Yuri hätte tun können. Du hättest ihm freie Hand geben können, damit er mehr Parks anlegt, mehr Bäume pflanzt – all diese grandiosen Pläne, die du da hast. Du hättest den Bengel sein Leben lang beschäftigen können, und du hättest seine Gesellschaft gehabt…«
»Ich wünschte, du wolltest aufhören. Es ist nicht geschehen. Es ist einfach nicht geschehen.«
»Aber was anderes ist geschehen: Du willst die Freundschaft dieser Hexen, eines Mannes und einer Frau, die miteinander verheiratet sind, umgeben von einem großen Clan. Leute, die a priori auf ein Familienleben eingeschworen sind, das absolut menschlich ist…«
»Was kann ich tun, damit du aufhörst?«
»Gar nichts. Trink deine Milch. Ich weiß, du willst sie. Du schämst dich nur, sie vor mir zu trinken, und du hast Angst, ich könnte sagen: ›Ashlar, trink deine Milch!‹«
»Was du jetzt getan hast, obwohl ich sie nicht angerührt habe, wie dir doch klar ist.«
»Aah, das ist es ja. Du liebst diese beiden, die Hexen. Mir ist es ein Greuel, wenn du Leute liebst, die dir bloß den Rücken zuwenden werden. Und diese beiden müssen es tun.«
Ash gab keine Antwort.
»Sie sind umgeben von Hunderten von Leuten, für die sie aus diesem Teil ihres Lebens eine Lüge machen müssen.« Samuel fuhr mit seiner Strafpredigt fort. »Sie werden vergessen wollen, daß du existierst; sie werden nicht wollen, daß das große Reich ihres Alltagslebens im gleißenden Licht deiner Gegenwart untergeht.«
»Ich verstehe.«
»Es gefällt mir nicht, wenn du leidest.«
»Ach nein?«
»Nein! Ich schlage gern Illustrierte und Zeitungen auf und lese von deinen kleinen unternehmerischen Triumphen und sehe dein lächelndes Gesicht über einer nichtsnutzigen kleinen Liste der zehn exzentrischsten Milliardäre der Welt oder der begehrtesten Junggesellen von New York. Und ich weiß, jetzt wirst du dir selbst das Herz brechen, indem du dich dauernd fragst, ob diese Hexen wirklich deine Freunde sind und ob du sie anrufen kannst, wenn du Kummer hast, und ob du dich darauf verlassen kannst, daß sie dich im Innersten kennen, wie es jedes lebende Wesen nötig hat…«
»Bleib hier, Samuel, bitte.«
Damit brachte er ihn zum Verstummen. Der kleine Mann seufzte. Er trank etwas von seinem Whiskey, ungefähr die Hälfte, und leckte sich dann mit einer überraschend rosigen Zunge über die schwere, krumme Unterlippe.
»Verflucht, Ash, ich will nicht.«
»Ich bin gekommen, als du mich gerufen hast, Samuel.«
»Bereust du das jetzt?«
»Auf diese Weise denke ich nicht darüber. Außerdem, wie könnte ich es bereuen?«
»Vergiß das alles, Ash. Im Ernst, vergiß es. Vergiß, daß ein Taltos im Glen war. Vergiß diese Hexen. Vergiß, daß du jemanden brauchst, der dich liebt, weil du bist, was du bist. Das ist unmöglich. Ich habe Angst. Ich habe Angst vor dem, was du jetzt tun wirst. Das Muster ist mir nur allzu vertraut.«
»Welches Muster wäre das?« fragte
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