Die Mayfair-Hexen
ein Luftzug war durch die Fenster zur Seitenveranda hereingeweht.
Ein Wachmann war draußen auf und ab gegangen, und so hatte Mona sich gedacht, daß sie die Fenster nicht würde schließen müssen. Bäuchlings hatte sie sich auf das Sofa g e worfen, erst an Yuri, dann an Michael gedacht, und dann war sie fest eingeschlafen.
Es hieß, wenn man älter würde, könne man so nicht mehr schlafen. Nun, Mona war es nur recht. Diese Art von totenähnlichem Schlaf gab ihr immer das Gefühl des Betrogenseins, als hätte sie sich für eine bestimmte, für sie selbst unkontro l lierbare Zeitspanne aus dem Universum verabschiedet.
Aber um vier Uhr war sie aufgewacht, ohne genau zu wissen, warum.
Die französischen Fenster waren immer noch offen gewesen, und der Wachmann hatte draußen gestanden und eine Zigarette geraucht.
Schlaftrunken hatte sie den nächtlichen Geräuschen gelauscht, den Rufen der Vögel in den dunklen Bäumen, dem fernen Rauschen eines Zugs am Wasser, den plätschernden Geräuschen wie von einem Springbrunnen oder einem Pool.
Sie hatte sicher eine halbe Stunde zugehört, bevor das Plätschern sie zu stören begann. Hier war kein Springbrunnen. Irgend jemand schwamm im Swimmingpool.
Halb in der Erwartung, einen köstlichen Geist zu sehen – die arme Stella, zum Beispiel, oder Gott weiß welche andere Erscheinung – war Mona auf bloßen Füßen hinausgeschlichen und über den Rasen gelaufen. Ein Wachmann war hier ni r gends zu sehen, aber bei einem so großen Grundstück hatte das nicht viel zu sagen.
Im Pool schwamm jemand gleichmäßig Bahn für Bahn.
Durch die Gardenienbüsche sah Mona, daß es Rowan war, die dort schwamm, nackt und mit unglaublicher Geschwindigkeit, Runde um Runde. Rowan atmete gleichmäßig, den Kopf zur Seite gedreht, wie es Berufsschwimmer taten oder athletische Ärztinnen, die ihren Körper trainierten, vielleicht sogar heilen und wieder in Bestform bringen wollten.
Nicht die rechte Zeit, um sie zu stören, hatte Mona gedacht; sie war immer noch müde gewesen und hatte sich nach der Couch zurückgesehnt. Tatsächlich war sie so schlaftrunken gewesen, daß sie sich fast ins kühle Gras hätte fallen lassen. Aber etwas an dieser Szene hatte sie gestört; vielleicht war es die Tatsache, daß Rowan nackt war oder daß sie so schnell und so gleichmäßig schwamm – vielleicht aber auch, daß der Wachmann irgendwo in der Nähe war und womöglich wie ein Spanner irgendwo in den Büschen hockte, eine Idee, die M o na überhaupt nicht gefiel.
Aber Rowan hatte über das Wachpersonal auf dem Grundstück Bescheid gewußt. Allein über dieses Thema hatte sie eine Stunde lang mit Ryan gesprochen.
Mona war wieder schlafen gegangen.
Als sie jetzt aufwachte, dachte sie wieder an Rowan, noch bevor sie Yuris Gesicht im Geiste heraufbeschwor oder, die routinemäßigen, katholischen Schuldgefühle wegen Michael entwickelte und sich zugleich, ganz als kneife sie sich gra u sam in den Arm, daran erinnerte, daß Gifford und ihre Mutter tot waren.
Sie starrte in das Sonnenlicht, das den Boden überflutete, und betrachtete den Golddamastsessel, der am Fenster stand. Vielleicht ging es ja überhaupt nur darum. Das Licht war trüb geworden für Mona, als Alicia und Gifford gestorben waren, daran bestand kein Zweifel. Und jetzt, nur weil diese Frau sich für sie interessierte, diese geheimnisvolle Frau, die aus unzä h ligen Gründen soviel für sie bedeutete, strahlte das Licht wi e der hell.
Aarons Tod war schrecklich, aber damit wurde sie fertig. Ja, das Gefühl, das alle anderen überwog, war eben jene selbstsüchtige Erregung, die sie auch gestern empfunden hatte, als Rowan zum erstenmal Interesse gezeigt hatte, bei ihrem e r sten vertraulichen, respektvollen Blick.
Mona stand auf und zog das Seidenkleid glatt; vielleicht war es jetzt ruiniert, aber das wußte sie nicht genau. Sie trat an das Fenster zum Garten und ließ die Sonne warm und frisch über sich hinwegfluten; die Luft kam schwül und süßlich du f tend aus dem Garten – lauter Dinge, die sie normalerweise als selbstverständlich empfand, aber die in der First Street doppelt wundervoll erschienen und die einen Augenblick der Meditat i on wert waren, bevor sie sich kopfüber in den Tag stürzte.
Sie streckte sich, stellte sich breitbeinig auf und berührte die Zehen mit den Fingerspitzen; dann bog sie sich zurück und schüttelte das Haar, bis es sich wieder locker und kühl anfüh l te. Sie ging hinaus, durch den langen
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