Die Mayfair-Hexen
au f geregt, als daß sie sich hätte dazu zwingen können, die Augen niederzuschlagen.
Beinahe sofort milderte die Miene sich wieder, vielleicht absichtlich.
»Ich fahre nach Europa«, sagte Rowan. »Ich reise bald ab.«
»Wieso? Wo willst du hin? Weiß Michael Bescheid?« wollte Mona wissen.
»Nein«, sagte Rowan. »Und wenn er es erfährt, wird er wieder verletzt sein.«
»Rowan, Moment, das kannst du ihm nicht antun. Warum willst du weg?«
»Weil ich muß. Ich bin die einzige, die dieses kleine Geheimnis um die Talamasca lüften kann. Ich bin die einzige, die herausfinden kann, weshalb Aaron auf diese Weise sterben mußte.«
»Aber Michael – du mußt Michael mitnehmen, du mußt dir von ihm helfen lassen. Wenn du ihn noch einmal verläßt, Rowan, wird mehr als eine geschlechtsreife Dreizehnjährige nötig sein, um sein Ego und den letzten Rest seiner Manneswürde zu retten.«
Rowan hörte nachdenklich zu.
Mona bereute sofort, was sie da gesagt hatte, und im nächsten Augenblick fand sie, daß sie es nicht nachdrücklich genug gesagt hatte.
»Es wird weh tun«, sagte Rowan.
»Oh, mach dir nur nichts vor«, sagte Mona. »Vielleicht ist er auch gar nicht mehr hier, wenn du zurückkommst.«
»Was würdest du denn an meiner Stelle tun?« fragte Rowan.
Mona brauchte eine Sekunde, um diese Frage in all ihrer Tragweite zu erfassen. Sie nahm einen großen Schluck Orangensaft und schob das Glas zur Seite. »Das fragst du mich wirklich?«
»Es gibt niemanden, den ich lieber fragen würde.«
»Nimm ihn mit nach Europa. Warum denn nicht? Wieso muß er hier bleiben?«
»Es gibt Gründe«, sagte Rowan. »Er ist der einzige, der begreift, welche Gefahren der Familie drohen. Und dann ist da noch seine eigene Sicherheit… wie kritisch es damit ist, weiß ich allerdings nicht.«
»Seine Sicherheit? Wenn die Kerle von der Talamasca ihn aufs Korn nehmen, dann wissen sie auch, wo sie ihn finden, wenn er hier bleibt. Außerdem, Rowan, was ist denn mit deiner eigenen Sicherheit? Du weißt mehr über all das als irgend jemand außer Michael. Brauchst du ihn denn nicht? Bist du wirklich bereit, allein da rüberzufahren?«
»Ich wäre ja nicht allein. Ich hätte Yuri.«
»Yuri?«
»Er hat heute früh wieder angerufen, vorhin erst.«
»Warum sagst du mir das nicht?«
»Ich sage es dir ja«, antwortete Rowan kühl. »Er hatte nur ein paar Augenblicke Zeit; er war in einer Telefonzelle in London. Ich habe ihn überredet, mich in Gatwick abzuholen. Ich habe nur noch ein paar Stunden Zeit.«
»Du hättest mich rufen sollen, Rowan. Du hättest…«
»Stop, Mona. Yuris Absicht war es, dir einzuschärfen, daß du in der Nähe deiner Familie bleiben sollst, unter steter Bewachung. Nur das ist jetzt wichtig. Er glaubt, daß es Leute gibt, die versuchen könnten, dich in ihre Gewalt zu bringen, Mona. Es war ihm sehr ernst. Mehr wollte er nicht sagen. Er sprach von den genetischen Untersuchungen, von Leuten, die Zugriff auf die Unterlagen hätten und zu dem Schluß gekommen seien, daß du die mächtigste Hexe im Clan bist.«
»Yeah, schön, das bin ich wahrscheinlich. Darauf bin ich schon vor langer Zeit selbst gekommen. Aber, Rowan, wenn sie es auf Hexen abgesehen haben, wieso sind sie dann nicht auch hinter dir her?«
»Weil ich nie wieder ein Kind bekommen kann, Mona. Aber du kannst es. Yuri meint, vielleicht wollen sie auch Michael. Michael hat Lasher gezeugt. Und diese bösen Menschen, wer immer sie sein mögen, werden versuchen, dich mit ihm zusammenzubringen. Ich glaube, daß Yuri sich irrt.«
»Wieso?«
»Zwei Hexen kreuzen? In der Erwartung, daß die Extra-Gene einen Taltos zustandebringen? Das ist heute so unwahrscheinlich wie eh und je. Man könnte sagen, daß die Kreuzung zweier Hexen die langwierigste Methode ist. Unseren Dokumenten zufolge hat der einzige erfolgreiche Versuch dreihundert Jahre gedauert. Und für diesen Erfolg war zielstrebiges Eingreifen erforderlich. Ich habe im entscheidenden Augenblick nachgeholfen. Vielleicht hätte es sonst gar nicht passieren können.«
»Aber Yuri meint, sie werden versuchen, Michael und mich dazu zu zwingen?«
»Ich bin nicht seiner Meinung«, sagte Rowan. »Ich glaube, die Schurken in diesem Stück haben Aaron ermordet, um ihre Spuren zu verwischen. Darum haben sie versucht, Yuri umzubringen. Darum werden sie vielleicht auch versuchen, eine Art Unfall für mich zu arrangieren. Andererseits…«
»Dann bist du in Gefahr! Und was ist mit Yuri passiert? Wann? Und
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