Die Mayfair-Hexen
segelte.
Aber er hätte es sich denken können – schon als er das letzte Mal hier gewesen war, als die Frauen alt und krank gewesen waren und ihn mit Steinen beworfen und ihm in die Ohren g e kreischt hatten. Da hatte er den Tod ringsumher gerochen. Auch jetzt roch er ihn, aber jetzt war es nicht der Blutgeruch der Frauen, sondern der trockene, saure Geruch der Männer.
Er wälzte sich herum und ließ das Gesicht auf der Erde ruhen. Seine Augen schlössen sich wieder. Er hörte, wie sie um ihn herum raschelten.
»Wo ist Samuel?« fragte einer von ihnen.
»Sag Samuel, er soll zurückkommen.«
»Warum bist du hier? Bist du von dem Fluch befreit?«
»Redet mir nicht von dem Fluch!« schrie er und richtete sich auf; der Bann war gebrochen. »Redet nicht mit mir, dreckiges Pack!« Und diesmal bekam er eine Fackel zu fassen; er entriß sie dem kleinen Mann, hielt sie sich dicht vors Gesicht und roch den unverwechselbaren Gestank von brennendem Me n schen-fett. Angewidert warf er die Fackel weg.
»Zur Hölle mit euch, verfluchte Pest!« rief er.
Einer von ihnen zwickte ihn ins Bein. Ein Stein traf ihn an der Wange, ohne ihn tief zu verletzen. Stöcke wurden auf ihn g e schleudert.
»Wo ist Samuel?«
»Hat Samuel dich geschickt?«
Und dann das laute Gegacker von Aiken Drumm, der alles andere übertönte. »Wir hatten einen schmackhaften Zigeuner für unser Abendessen, wahrhaftig, bis Samuel ihn zu Ashlar brachte!«
»Wo ist unser Zigeuner?« kreischte Urgart.
Gelächter, Schreie und Spottrufe; Feixen und Fluchen. »Soll der Teufel dich Stück für Stück mit nach Hause nehmen!« rief Urgart. Die Trommeln hatten wieder eingesetzt. Sie schlugen sie mit den Fäusten, und eine wilde Folge von Tönen schrillte aus den Flöten.
»Zur Hölle mit euch, mit euch allen!« rief Ash. »Warum lasse ich euch nicht gleich hinunterfahren?«
Er wandte sich ab und lief davon, zunächst ohne zu wissen, in welche Richtung. Aber der Aufstieg war gleichmäßig gewesen, und so fiel die Orientierung leicht. Im Knirschen seiner Schri t te, im Knistern des Gestrüpps, im Rauschen der Luft an se i nem Ohr war er sicher vor ihren Trommeln, ihren Flöten, ihrem Hohngeschrei.
Schon bald konnte er ihre Musik und ihre Stimmen nicht mehr hören. Und schließlich wußte er, daß er allein war.
Keuchend, mit schmerzender Brust, müden Beinen und wunden Füßen, ging er langsamer, bis er nach sehr langer Zeit die Straße erreichte und auf den Asphalt trat wie aus einem Traum. Dann stand er wieder in der Welt, die er kannte, leer und kalt und still, wie sie war. Sterne erfüllten jeden Quadra n ten des Himmels. Der Mond zog sich den Schleier vors G e sicht und ließ ihn wieder sinken, und der leise Wind ließ die Kiefern ganz leicht erschauern und wehte herab, als wolle er ihn vorantreiben.
Als er im Gasthaus ankam, war seine kleine Assistentin Leslie noch auf und erwartete ihn. Sie begrüßte ihn mit einem leisen Schreckensschrei und nahm ihm rasch den zerrissenen Ma n tel ab. Sie hielt seine Hand, als sie die Treppe hinaufstiegen.
»Oh, so warm«, sagte er. »So warm.«
»Ja Sir. Und da ist Ihre Milch.« Am Bett stand das große Glas. Er trank es aus, und sie öffnete seine Hemdknöpfe.
»Danke, meine Liebe, meine kleine Liebe«, sagte er.
»Schlafen Sie, Mr. Ash.«
Er ließ sich schwer ins Bett fallen und fühlte, wie die große Daunendecke sich auf ihn senkte, wie das Kissen sich unter seiner Wange rundete. Das ganze Bett war süß und warm; es fing ihn auf, tauchte ihn in den äußeren Kreis des Schlafes und zog ihn hinab.
Das Glen, mein Glen. Der See, mein See, mein Land.
Verräter deines eigenen Volkes.
Am Morgen frühstückte er eilig auf seinem Zimmer, während seine Mitarbeiter die baldige Rückfahrt vorbereiteten. Nein, er wolle diesmal nicht zur Kathedrale hinunter, erklärte er. Und, ja, er habe die Artikel in den Zeitungen gelesen. St. Ashlar, ja, auch diese Geschichte habe er gehört.
Als es Mittag wurde, war er in London gelandet.
Samuel erwartete ihn am Auto, säuberlich gekleidet; in seinem Tweedanzug mit dem frischgestärkten weißen Hemd sah er aus wie ein Gentleman in Miniaturausgabe. Sogar sein rotes Haar war anständig gekämmt, und sein Gesicht hatte das respektable Aussehen einer englischen Bulldogge.
»Du hast den Zigeuner in Ruhe gelassen?«
»Er ist abgehauen, als ich schlief«, gestand Samuel. »Ich h a be ihn nicht gehen hören. Er ist einfach verschwunden. Hat keine Nachricht
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