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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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beherrschten die Kreuzung. Ash stieg aus, streckte kurz die Beine, ging langsam bis zur Straßenecke und ließ dann den Blick über die Menschenmassen wandern, ohne sich von den unvermeidlichen Gaffern stören zu lassen und auf die vereinzelten lauten, gutmütigen Bemerkungen über seine Größe zu achten.
    Da war die Buchhandlung, schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. Sehr elegant, mit blankpolierten Holzfensterrahmen und Messingleuchten. Sie war offen, aber niemand stand vor der Tür.
    Kühn überquerte er die Kreuzung; er ging gegen den Verkehrsstrom an, was zwei Autofahrer zu Wutanfällen veranlaßte, aber natürlich kam er unversehrt bei der gegenüberliegenden Straßenecke an.
    In der Buchhandlung herrschte einiger Betrieb. Hexen waren nicht da. Aber sie hatte gesagt, sie würde ihn sehen und sich hier mit ihm treffen.
    Er drehte sich um. Sein Fahrer hielt die Stellung, obwohl ihn der Verkehr umbrandete; er tat es mit der Arroganz eines Chauffeurs am Steuer einer monströsen Limousine. Das war gut.
    Rasch musterte Ash die Läden in der Brook Street zu seiner Linken und schaute dann hinüber, die Spelling hinunter.
    Im Gedränge vor dem Schaufenster eines Bekleidungsgeschäfts standen ein Mann und eine Frau. Michael Curry und Rowan Mayfair. Sie mußten es sein.
    Sein Herz stand buchstäblich still.
    Hexen. Alle beide.
    Beide schauten ihn an, und sie hatten Hexenaugen, und sie verströmten den sehr matten Schein, den Hexen in seinen Augen immer verströmten.
    Er staunte. Was war es nur, was diesen Schein hervorbrachte? Wenn er sie berührte, wenn er das tatsächlich tun sollte, dann würden sie sich wärmer anfühlen als andere Menschen, und wenn er sein Ohr an ihren Kopf legen könnte, würde er ein leises, organisches Geräusch hören, das er bei anderen Säugetieren oder bei Menschen, die keine Hexen waren, nicht wahrnahm. Gelegentlich, sehr selten, war es allerdings vorgekommen, daß er dieses sanfte, wispernde Raunen aus dem Körper eines lebenden Hundes vernommen hatte.
    Guter Gott im Himmel, was für Hexen! Es war so lange her, daß er Hexen mit solcher Macht gesehen hatte, und nie hatte er welche gesehen, die mächtiger gewesen waren. Er rührte sich nicht. Er schaute sie nur an und versuchte, sich vom starren Blick ihrer Augen loszureißen. Es war nicht leicht. Er fragte sich, ob sie es merkten. Er blieb gefaßt.
    Der Mann, Michael Curry, war Kelte bis ins Mark. Er hätte eher Ire als Amerikaner sein können. Nichts an ihm war nicht irisch, von den schwarzen Locken bis zu den strahlend blauen Augen und dem Jagdsakko, das er offensichtlich aus modischen Gründen trug, genau wie die weiche Flanellhose. Er war ein großer Mann, ein starker Mann.
    Der Vater des Taltos und sein Mörder! Mit dumpfem Schrecken erinnerte er sich. Vater… Mörder…
    Und die Frau?
    Sie war sehr schlank und äußerst schön, wenngleich auf absolut moderne Art. Ihr Haar war schlicht, aber glänzend und verlockend, und ihr Gesicht war schmal. Auch ihre Kleidung war verführerisch, von kalkulierter Knappheit, ja, von beinahe greller Erotik. Ihre Augen waren viel beängstigender als die des Mannes.
    Tatsächlich hatte sie die Augen eines Mannes. Es war, als sei dieser Teil ihres Gesichtes von einem männlichen Menschen abgenommen und bei ihr angebracht worden, über dem weichen, breiten, weiblichen Mund. Aber bei modernen Frauen sah er diese Ernsthaftigkeit, diese Aggressivität oft. Nur war diese hier eben eine, nun ja, Hexe.
    Beide waren fasziniert.
    Sie sprachen nicht miteinander, bewegten sich nicht. Der Wind trug ihre Witterung nicht bis zu ihm. Er wehte in die andere Richtung, was strenggenommen bedeutete, daß sie ihn wittern müßten.
    Die Frau durchbrach die Stille plötzlich, aber nur mit einer leichten Bewegung ihrer Lippen. Sie hatte ihrem Begleiter etwas zugeflüstert. Aber er blieb still und musterte Ash unverwandt.
    Ash entspannte sich. Er ließ die Hände natürlich herunterhängen, was er wegen seiner langen Arme selten tat. Aber sie mußten sehen, daß er nichts verbarg. Er ging über die Brook Street zurück, ganz langsam, und gab ihnen Zeit, wegzulaufen, wenn sie wollten, obwohl er zum Himmel betete, daß sie es nicht tun würden.
    Langsam ging er die Spelling hinunter auf sie zu. Sie rührten sich nicht. Plötzlich stieß eine Fußgängerin ihn versehentlich an und ließ eine Papiertüte mit kleinen Gegenständen krachend auf den Gehweg fallen. Die Tüte platzte. Die kleinen Gegenstände verstreuten

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