Die Mayfair-Hexen
ausgraben, du kleine Hexe, sagte sie zu sich. Sie mußte zugeben, daß es Spaß machte, mit Mary Jane Mayfair kleine Hexen zu spielen. Ja, sie war froh, daß sie gekommen war. Nimm noch ein bißchen Brot.
Ihre Augen schlossen sich wieder. Etwas Wunderschönes geschah. Die Sonne schien plötzlich auf ihre Lider, als habe ein Ast oder eine Wolke sie freigegeben; das Licht färbte die Dunkelheit hellorange, und sie fühlte, wie die Wärme ihr über den ganzen Körper kroch. In ihrem Bauch, auf dem sie immer noch schlafen konnte, regte sich wieder das Ding. Mein Baby.
Jemand sang wieder das Kinderlied. Das mußte wirklich das älteste Kinderlied der Welt sein. Es war Altenglisch – oder war es Latein?
Gib acht, sagte Mona. Ich will dir beibringen, wie man einen Computer benutzt, bevor du vier Jahre alt bist, und du sollst wissen, daß nichts dich davon abhalten kann zu werden, was immer du werden willst, hörst du?
Das Baby lachte und lachte. Es schlug Purzelbäume und streckte die winzigen Ärmchen und Händchen aus und lachte und lachte.
Und dann sagte die Stimme von Mary Jane – es war ein reiner Traum jetzt, und auf irgendeiner Ebene wußte Mona es, ja, denn Mary Jane war gekleidet wie die uralte Evelyn, in den Sachen einer alten Dame, einem Gabardinekleid und Schnürschuhen: Es war ohne Zweifel ein Traum – sagte die Stimme von Mary Jane: »Da steckt mehr dahinter, Darlin’. Du solltest dich lieber ziemlich rasch entscheiden.«
15
»Hör zu, vergiß, was du da getan hast – einfach durchzubrennen«, sagte Tommy. Sie fuhren zurück zum Mutterhaus, weil Tommy darauf bestanden hatte. »Wir müssen uns benehmen, als brauchten wir überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben. Alles Beweismaterial ist vernichtet. Sie können kein einziges Telefon zu uns zurückverfolgen. Aber wir müssen zurückfahren und uns benehmen, als wäre nichts passiert, und wir müssen zeigen, daß wir über Marcus’ Tod bestürzt sind. Das ist alles.«
»Ich werde erzählen, ich hätte mir große Sorgen um Stuart gemacht«, sagte Marklin.
»Ja, genau das solltest du ihnen erzählen. Du hast dir Sorgen um Stuart gemacht. Stuart stand unter einer so schrecklichen Anspannung.«
»Vielleicht haben sie ja gar nichts gemerkt – ich meine, vielleicht haben die Älteren gar keine Notiz von meiner Abwesenheit genommen.«
»Und du hast Stuart nicht gefunden, und jetzt kommst du wieder nach Hause. Verstanden? Du bist wieder nach Hause gekommen.«
»Und dann?«
»Das hängt von ihnen ab«, sagte Tommy. »Aber was auch passiert, wir müssen dort bleiben, um keinen Verdacht zu erregen. Wir werden sagen: ›Was ist passiert? Kann es uns jemand erklären?‹«
Marklin nickte. »Aber wo ist Stuart denn?« fragte er. Er riskierte einen kurzen Seitenblick auf Tommy. Tommy war so ruhig wie in Glastonbury, als Marklin am liebsten vor Stuart auf die Knie gefallen wäre und ihn angefleht hätte, zurückzukommen.
»Er trifft sich mit Yuri, das ist alles. Stuart steht unter keinem Verdacht, Mark. Du bist derjenige, der möglicherweise unter Verdacht steht, weil du einfach weggelaufen bist. Jetzt fasse dich, mein Alter; wir müssen unsere Rolle gut spielen.«
»Und wie lange?«
»Was weiß ich?« Tommys Stimme blieb unverändert ruhig. »Zumindest, bis wir einen natürlichen Grund haben, wieder zu verschwinden. Dann fahren wir in meine Wohnung in Regent’s Park und entscheiden uns. Ist das Spiel aus? Was haben wir zu verlieren, wenn wir beim Orden bleiben? Was haben wir zu gewinnen?«
»Aber wer hat Anton denn ermordet?«
Tommy schüttelte den Kopf. Er beobachtete jetzt die Straße, als brauchte Marklin einen Lotsen. Und Marklin war nicht so sicher, daß er keinen brauchte. Hätte er diesen Weg nicht in- und auswendig gekannt, hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft.
»Ich bin nicht davon überzeugt, daß wir zurückfahren sollten«, sagte er.
»Das ist albern. Sie haben keine Ahnung, was wirklich passiert ist.«
»Woher willst du das wissen?« fragte Marklin. »Mein Gott, es könnte doch sein, daß Yuri es ihnen erzählt hat! Tommy, benutze deinen Verstand! Vielleicht ist es kein gesundes Zeichen, im Angesicht all dessen derart ruhig zu bleiben! Stuart ist zu Yuri gefahren, und Yuri ist vielleicht selbst schon im Mutterhaus.«
»Meinst du nicht, daß Stuart so klug war, Yuri einzuschärfen, er solle fortbleiben? Es habe eine Verschwörung gegeben, und Stuart kenne das Ausmaß nicht?«
»Ich meine, daß du so klug sein würdest, es
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