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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Mona.
    »Sicher?«
    »Absolut.«
    Mary Jane schnappte sich die Brotscheibe, riß die Mitte heraus und fing an, das weiche Brot zu einer Kugel zu formen. »Junge, ich bin verrückt danach«, sagte sie. »Als ich klein war, da hab ich ein ganzes Brot genommen und es zu lauter kleinen Kugeln gedreht!«
    »Und die Kruste?«
    »Zu Kugeln gedreht«, sagte sie und schüttelte in nostalgischem Staunen den Kopf. »Alles zu Kugeln gedreht.«
    »Wow«, sagte Mona nüchtern. »Weißt du, du bist wirklich faszinierend. Eine so herausfordernde Kombination aus Profanem und Mystischem ist mir noch nicht untergekommen.«
    Sie sah Mary Jane an. Mary Jane hatte ihren Brotschmaus anscheinend beendet und saß jetzt mit verschränkten Armen da. Die Art, wie sie Mona anschaute, war ein bißchen enervierend. Ihre Augen hatten jenen träumerischen Glanz angenommen, den Augen bekommen, wenn der Geist abschweift, einen Ausdruck, der nicht leer war, sondern täuschend ernsthaft irgendwohin gerichtet.
    »Mary Jane?« sagte sie.
    Sie erwartete, daß das Mädchen zusammenschrecken und sozusagen aufwachen würde, um ihr dann auf der Stelle zu erzählen, woran sie gedacht hatte. Aber nichts dergleichen geschah. Mary Jane schaute sie weiterhin nur an und sagte:
    »Ja, Mona?« In ihrem Gesicht veränderte sich nichts.
    Mona stand auf. Sie ging zu Mary Jane hinüber, blieb neben ihr stehen und schaute auf sie hinunter, und Mary Jane blickte sie immer noch mit diesen großen, beängstigenden Augen an.
    »Berühre dieses Baby, hier, berühre es, sei nicht schüchtern. Sag mir, was du fühlst.«
    Mary Jane richtete ihren Blick auf Monas Bauch und streckte sehr langsam die Hand aus, als wolle sie tun, was Mona verlangt hatte. Dann plötzlich riß sie die Hand zurück. Sie stand auf und wich vor Mona zurück. Ihre Miene war besorgt.
    »Ich glaube nicht, daß wir das tun sollten. Laß uns mit diesem Baby keine Hexerei treiben. Du und ich, wir sind junge Hexen. Weißt du, das sind wir wirklich. Und was ist, wenn Hexerei, weißt du, irgendeine Wirkung auf das Baby hat?«
    Mona seufzte. Sie wollte plötzlich nicht mehr darüber reden. Das Gefühl der Angst war zu strapaziös und zu schmerzhaft, und sie hatte genug davon.
    Der einzige Mensch auf der Welt, der ihre Fragen beantworten konnte, war Rowan, und früher oder später würde sie ihr diese Fragen stellen müssen, denn sie konnte das Baby jetzt fühlen, und eigentlich war es glattweg unmöglich, daß man fühlte, wie ein Baby sich so bewegte, selbst bei solchen ganz winzigen Bewegungen – nicht, wenn das Baby erst sechs oder sogar zehn oder sogar zwölf Wochen alt war.
    »Mary Jane, ich muß jetzt allein sein«, sagte sie. »Ich will nicht unhöflich erscheinen. Es ist bloß – das Baby macht mir Sorgen. Das ist die schlichte Wahrheit.«
    »Es ist wirklich süß von dir, daß du es mir so erklärst. Mach nur. Ich gehe nach oben, wenn das okay ist.«
    »Du kannst meinen Computer benutzen, wenn du willst«, sagte Mona.
    Sie spazierte auf die Steinplatten hinaus, auf den hinteren Teil des Gartens zu. Es war noch früh; die Sonne stand hoch am Himmel, und ihre Strahlen fielen auf den Rasen unter der Eiche, wie sie es eigentlich noch bis weit in den Nachmittag hinein tun würden. Die beste, die wärmste Zeit dort hinten im Garten.
    Sie ging über das Gras. Hier war es, hier mußten sie begraben sein. Michael hatte Erde angeschüttet, und ganz frisches, zartes Gras wuchs hier.
    Sie sank auf die Knie, streckte sich dann auf dem Boden aus, ohne sich darum zu kümmern, daß sie sich das schöne, weiße Kleid mit Lehm beschmierte. Sie hatte ja so viele davon. Das war es, was Reichsein bedeutete, und sie spürte es schon: daß man so viel von allem hatte, und daß man keine Schuhe mit Löchern in den Sohlen zu tragen brauchte. Sie schmiegte die Wange an die kühle Erde und das kühle Gras, und ihr aufgeblähter rechter Ärmel sah aus wie ein großer weißer Fallschirm, der vom Himmel neben sie gefallen war. Sie schloß die Augen.
    Morrigan, Morrigan, Morrigan… Die Boote kamen übers Meer, von Fackeln überstrahlt. Aber die Klippen sahen so gefährlich aus. Morrigan, Morrigan, Morrigan… Ja, das war der Traum! Die Flucht von der Insel zur Nordküste. Die Klippen waren eine Gefahr, und die Ungeheuer der Tiefe, die in den Lochs hausten.
    Sie hörte jemanden graben. Sie war hellwach und starrte über das Gras hinweg zu den fernen Ingwerlilien, den Azaleen.
    Niemand grub hier. Einbildung. Du möchtest sie gern

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