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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ihn eingeholt hatte. »Versuche dich an die Regeln zu halten, ja? Nur nicht auffallen. Nichts sagen. Keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sind wir uns einig?«
    »Du bist selbst viel zu nervös«, erwiderte Marklin grob.
    Die Haustürflügel standen offen. Im Flur drängten sich Männer und Frauen; die Luft war zum Schneiden dick vom Zigarrenrauch, und es herrschte ohrenbetäubendes Stimmengewirr. Das Ganze wirkte wie eine gutbesuchte Totenfeier oder das Pausengeplauder in einem Theater.
    Marklin blieb stehen. Jeder Instinkt verbot ihm, dort hineinzugehen. Und sein Leben lang hatte er an seine Instinkte geglaubt, wie er auch an seine Intelligenz glaubte.
    »Komm schon, Mann«, sagte Tommy mit zusammengebissenen Zähnen und drängte Marklin weiter.
    »Oh, hallo«, sagte ein alter Herr mit strahlendem Gesicht, der sich ihnen zugewandt hatte, um sie zu begrüßen. »Und wer sind Sie?«
    »Novizen«, sagte Marklin. »Tommy Monohan und Marklin George. Dürfen Novizen hinein?«
    »Natürlich, natürlich«, sagte der Mann und trat beiseite. Die Menge drängte sich hinter ihm; Gesichter wandten sich ihm zu und schauten dann gleichgültig wieder weg. Eine Frau flüsterte mit einem Mann gleich hinter der Tür; als sie und Marklin sich anschauten, gab sie einen leisen Laut der Überraschung und der Bestürzung von sich.
    »Das ist ganz und gar nicht in Ordnung hier«, sagte Marklin leise.
    Sie schoben sich durch das Gedränge. Fremde Gesichter zur Rechten wie zur Linken. Überall tranken die Leute Wein und Bier. Man hörte Französisch, Italienisch und hier und da sogar Holländisch.
    Dort saß Joan Cross, im vordersten der offiziellen Salons, umgeben von Gesichtern, die Marklin nicht kannte; alle waren in ernsthafte Gespräche vertieft.
    Keine Spur von Stuart.
    »Siehst du?« flüsterte Tommy ihm ins Ohr. »Sie machen, was nahe liegt, wenn jemand gestorben ist – sie kommen zusammen und plaudern, als wäre es eine Party. Und das müssen wir jetzt auch tun. Ganz natürlich. Verstanden?«
    Marklin nickte, aber es gefiel ihm nicht, ganz und gar nicht. Einmal warf er einen Blick zurück und versuchte die Tür zu finden, aber die Tür war anscheinend geschlossen worden, und das Gedränge versperrte ihm auch die Sicht. Er sah nichts. Aber er fand es merkwürdig, daß so viele fremde Gesichter da waren, und er wollte etwas zu Tommy sagen, aber Tommy war davon spaziert.
    Tommy plauderte mit Elvera, und er nickte, als sie ihm etwas erklärte. Sie war unansehnlich wie immer; das dunkelgraue Haar war im Nacken zu einem Knoten gebunden, und ihre randlose Brille saß halb heruntergerutscht auf der Nase. Enzo stand neben ihr, dieser verschlagen aussehende Italiener. Wo zum Teufel war sein Zwilling?
    Wie grauenhaft, sein Leben an diesem Ort zu verbringen, dachte Marklin. Ob er es wagen könnte, sich nach Stuart zu erkundigen? Nach Yuri zu fragen, wagte er jedenfalls nicht obwohl er natürlich Bescheid wußte. Ansling und Perry hatten ihm ja gesagt, daß Yuri angerufen hatte. O Gott, was sollte er nur machen? Und wo waren Ansling und Perry?
    Galton Penn, einer der anderen Novizen, drängte sich auf Marklin zu.
    »Hallo, Mark. Was sagst du zu all dem?«
    »Nun, ich habe nicht gehört, daß die Leute hier darüber reden. Aber ich habe eigentlich auch nicht zugehört.«
    »Dann laß uns darüber reden, Mann, bevor sie alle Gespräche über das Thema verbieten. Du kennst ja den Orden. Sie haben keine Ahnung, wer Marcus umgebracht haben könnte. Überhaupt keine Ahnung. Weißt du, was wir alle denken? Daß es da was gibt, das wir nicht wissen sollen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Daß es irgendeine übernatürliche Instanz war, was sonst? Elvera hat etwas gesehen, das ihr einen Heidenschrecken eingejagt hat. Da ist etwas Übles passiert. Weißt du, Mark, es tut mir sehr leid um Marcus, wirklich, aber das ist das Aufregendste, was je passiert ist, seit ich hier aufgenommen wurde.«
    »Ja, ich kann dich gut verstehen«, antwortete Marklin. »Stuart hast du wohl nicht gesehen?«
    »Nein, überhaupt nicht, seit heute morgen nicht mehr, als er es ablehnte, die Führung des Ordens zu übernehmen. Warst du dabei?«
    »Nein. Ich meine, ja. Ich habe mich nur gefragt, ob er weggegangen ist.«
    Galton schüttelte den Kopf. »Hast du Hunger? Ich schon. Laß uns etwas essen gehen.«
    Es würde heikel werden, sehr heikel. Aber wenn die einzigen Leute, die mit ihm sprachen, grinsende Schwachköpfe wie Galton wären, dann würde er prima zurechtkommen, wirklich

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