Die McDermotts 01 - Niemals
herumkaute, als wäre es eine Schuhsohle, dachte sie daran, wie viel lockerer und lustiger die Abende mit Callan und den Jungs gewesen waren. Trotz der ganzen Streitereien mit Callan hatte sie sich in seiner Gesellschaft wesentlich wohler gefühlt als jetzt, und sie war froh, als Darren sie gegen Mitternacht endlich zur Ranch zurückbrachte.
Als sie ausstieg, warf sie einen raschen Blick zu den Unterkünften, rechnete damit, den kleinen, glühenden Punkt einer Zigarette zu sehen, doch da war nichts. Sieht nicht so aus, als würde er sich noch Gedanken um mich machen, dachte sie frustriert.
Wie beim letzten Mal begleitete Darren sie zur Tür, aber dieses Mal verabschiedete sie sich nur kurz und betrat schnell das Haus. Überrascht hielt sie inne, als sie Callan sah, der auf der Couch lag und schlief. Sein Kopf war auf eines der Kissen gerutscht, die langen Beine in den Stiefeln hingen schräg vom Sofa herunter, der Fernseher lief. Offenbar hatte er auf sie gewartet und war eingeschlafen.
Leise ging sie auf ihn zu, betrachtete ihn einen Moment. Sein Gesicht sah unglücklich aus und eine warme Welle der Zuneigung schwappte über sie hinweg. Am liebsten hätte sie sich zu ihm gesetzt, ihn in den Arm genommen und gestreichelt. Vorsichtig hob sie eines seiner Beine hoch, legte es auf die Couch, danach das andere, nahm dann die Patchworkdecke vom Sessel und deckte ihn zu. Sie schaltete den Fernseher aus, ließ die kleine Lampe jedoch brennen, für den Fall, dass er aufwachte. Mit einem letzten Blick auf ihn ging sie in ihr Zimmer und zog sacht die Tür hinter sich zu.
21
Als Joyce am anderen Morgen ins Wohnzimmer kam, war Callan verschwunden. Die Decke lag ordentlich zusammengefaltet auf dem Sessel, nichts wies mehr darauf hin, dass er überhaupt hier gewesen war. Nachdem sie sich geduscht und angezogen hatte, betrat sie die Küche und erschrak, als sie ihn dort am Tisch sitzen sah. Er hatte einen Becher Kaffee vor sich und schien auf sie zu warten.
»Guten Morgen«, murmelte sie unbehaglich, während sie feststellte, dass er immer noch die gleichen Sachen trug, offenbar hatte er die komplette Nacht auf dem Sofa verbracht.
»Morgen Sprosse«, erwiderte er knapp.
Sie wandte sich zum Kühlschrank und nahm Eier und Speck heraus, zündete anschließend den Herd an und stellte eine Pfanne darauf. Dabei spürte sie die ganze Zeit seinen Blick in ihrem Rücken. Ihre Hände fingen an zu zittern und nach einer Weile hielt sie es nicht mehr aus.
»Okay McDermott«, sagte sie entschlossen und drehte sich zu ihm um. »Schieß los.«
Nervös wippte er mit den Beinen auf und ab. »Was?«
»Du wirst wohl nicht hier sitzen, weil dir die Wandfarbe so gut gefällt«, fuhr sie fort. »Also sag, was du zu sagen hast, und dann lass mich in Ruhe das Frühstück machen.« Er starrte sie nur schweigend an und sie seufzte. »Mein Gott, was willst du? Geht es wieder um Darren?«
»Wenn du schon so fragst – ja.«
»Dachte ich es mir doch«, schnaufte sie genervt.
»Hör zu, ich habe nicht die Absicht, mich in deine privaten Dinge einzumischen«, erklärte er ruhig. »Aber bitte gib dich nicht mit diesem Kerl ab. Er ist hinterhältig und gefährlich, und ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten kommst.«
»Falls mich jemand in Schwierigkeiten bringt, dann sicherlich nicht er«, gab sie spitz zurück. »Sonst noch was? Willst du mich vielleicht auch wieder fragen, ob ich mit ihm geschlafen habe?«
»Nein, es interessiert mich nicht, mit wem du ins Bett gehst, das ist deine Sache«, behauptete er.
»Richtig«, erwiderte sie spöttisch, »gleiches Recht für alle.«
Er zuckte kaum merklich zusammen. »Dann wäre ja alles geklärt.«
»Ja, sieht so aus«, nickte Joyce und ignorierte den verletzten Ton in seiner Stimme.
Sie wandte sich wieder dem Herd zu und Callan stand auf.
An der Tür drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Eigentlich hatte ich die Absicht, mich bei dir zu entschuldigen«, sagte er leise, »aber das dürfte sich ja wohl erübrigt haben.«
Gegen Mittag reiste das Ehepaar Barner ab und neue Gäste trafen ein, ein Ehepaar aus Miami mit einer fünfzehnjährigen Tochter und einem siebzehnjährigen Sohn. In den darauffolgenden Tagen hatte Joyce alle Hände voll zu tun, sodass sie nicht viel Zeit hatte, an Callan zu denken, und sie war froh darüber. Sie ging ihm aus dem Weg, verzichtete auch darauf, an den Ausflügen teilzunehmen, und betete jeden Tag, dass ihre Großmutter bald zurückkommen würde.
Am
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