Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
aufhalten. Dabei war sie sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass Austin beide Eltern bei einem tragischen Autounfall verloren hatte. Daher straffte sie die Schultern und sagte: „Für dich und deine Brüder war es schlimmer.“
„Jemanden zu verlieren, den man liebt, ist nie leicht.“
Natürlich hatte er recht, nur bekam sie gerade kein Wort heraus.
Sanft, die Finger noch in ihren Haaren, küsste er sie auf die Stirn. „Früher glaubte ich, dass ich sie eines Tages nicht mehr vermissen würde. Inzwischen ist es zehn Jahre her, bald elf, und dieser Tag ist immer noch nicht gekommen.“
Paige legte die Arme um seine Taille. Auch wenn sie früher ein Liebespaar gewesen waren und schmerzlich feststellen mussten, dass sie nicht zusammenpassten, so waren sie doch vor allem Freunde gewesen. Sie schmiegte den Kopf an seine muskulöse Brust und atmete den Duft seines frisch gewaschenen T-Shirts und seiner warmen Haut ein.
„Ich weiß, was du meinst“, erwiderte sie leise. „Manchmal, nicht oft, träume ich davon, dass mein Dad noch lebt. Dass er immer noch in der Schule unterrichtet und Dinge in diesem alten Haus repariert und dass er sich um mich und Libby und Julie kümmert.“
Ihre Blicke trafen sich. Das vertraute angedeutete Lächeln erschien auf Austins Gesicht. „Hast du wirklich vor, ganz allein in diesem großen Haus zu wohnen?“
Paige sah ihn durch einen Tränenschleier an. „Das musst du gerade sagen. Ich habe in Hotels gewohnt, die kleiner waren als dein Haus.“
„Es gehört nicht nur mir“, erinnerte er sie, was sie noch den Bruchteil einer Sekunde innehalten ließ, als sie sich bereits von ihm lösen wollte. „Tate und Garrett besitzen den gleichen Anteil am Haus.“
Sie ging voran in die Küche. „Stimmt. Aber allein der Teil, in dem Julie mit Garrett und Calvin wohnt, ist größer als dieses ganze Haus hier.“
Obwohl er grinste, war der Ausdruck in seinen Augen leer.
Paige rief sich ins Gedächtnis, dass er schwer verwundet worden war und gerade sechsunddreißig Stunden am Stück geschlafen hatte. Langsam gingen ihm erneut die Kräfte aus.
„Vielleicht sollten wir wieder zurück zur Silver Spur Ranch fahren“, schlug sie vor.
„Nicht bevor ich mein Steak bekommen habe“, protestierte er und spähte in die Küche, um sich alles ganz genau anzusehen.
Sie beeilte sich mit dem restlichen Rundgang und ließ dabei ihr Schlafzimmer aus. Dann gingen sie zurück zum Porsche.
Zwei Straßen später standen sie erneut vor der einzigen Ampel der Stadt. Und die war rot.
Austin veranstaltete fast eine kleine Zeremonie beim Anhalten. Erst schaltete er demonstrativ herunter, stellte sämtliche Spiegel nach und wählte im Radio einen Sender, den er mochte. Als die Ampel nach all diesen Tätigkeiten noch nicht umgesprungen war, legte er den Kopf aufs Lenkrad und tat, als würde er schnarchen.
Paige lachte.
Jemand in einem alten Wagen hielt hinter ihnen und hupte ungeduldig.
Die Ampel blieb auf Rot.
Austin zwinkerte Paige zu. Dann schnallte er sich ab, stieg aus und schlenderte gemächlich nach hinten, um einen Plausch mit dem Fahrer des anderen Wagens zu halten.
Als die Ampel endlich umsprang, rannte er zurück zum Porsche, sprang hinein und fuhr in gemessenem Tempo über die Kreuzung. Vorher schnallte er sich noch an.
„Sehr vorbildlich“, lobte Paige ihn und applaudierte kurz. „Chief Brogan wäre stolz auf dich.“
Zwei Minuten später hielten sie auf einem Parkplatz mit rissigem Asphalt neben dem Silver Dollar Saloon. Eine Neon-Bierreklame flackerte hinter einer schmierigen Fensterscheibe, und von drinnen drang Patsy Clines Stimme durch die Fliegentür hinaus auf den verwitterten hölzernen Gehsteig davor, der vermutlich aus Blue Rivers wilderen Zeiten stammte.
Der Song hieß „Crazy“.
Paige versuchte, es nicht persönlich zu nehmen.
Die Angeln der Fliegentür quietschten, als Austin sie öffnete. Er hielt Paige die Tür auf und ließ sie vorangehen.
Der Silver Dollar Saloon sah innen genauso zwielichtig aus wie von außen, aber das Essen war gut. Vor einigen Jahrzehnten hatte der Saloon gute Umsätze mit Touristen gemacht, die aufihrem Weg nach Austin oder San Antonio auf einen Cheeseburger oder ein Bier hielten. Aber das Geschäft lief längst nicht mehr so gut.
Ein Drehständer mit an den Ecken gebogenen Postkarten, auf denen Slogans standen wie „Leg dich nicht mit Texas an“ oder „Ein freundliches Hallo aus dem Lone Star State“ konkurrierte um Platz mit
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