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Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Malzieu
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besonders begehrenswert hält. Das musst du ausnutzen!«
    Ich renne zurück zu ihrer Garderobe und schiebe eine Nachricht unter der Tür durch:
    Um Mitternacht in der Geisterbahn. Setz deine Brille auf, damit du nicht gegen den Mond stößt. Warte dort auf mich. Ich lasse dich auch die Brille absetzen, bevor ich dich ansehe. Versprochen!
    » ¡Anda hombre! ¡Anda! Du musst ihr dein Herz zeigen!«, ruft Méliès.
    »Ich habe Angst, dass sie meine Zeiger und Zahnräder abstoßend findet. Der Gedanke, sie könnte mich zurückweisen, ist unerträglich. Ich träume schon so lange von unserem Wiedersehen …«
    »Zeig ihr dein echtes Herz, und denk immer an meine Worte: Das ist der einzige Zaubertrick, der funktioniert. Wenn sie dein echtes Herz sieht, wird sie sich nicht von der Uhr abschrecken lassen, glaub mir!«
    Während ich Mitternacht entgegenfiebere, lässt sich Lunas zerfledderte Taube auf meiner Schulter nieder. Diesmal ist der Brief nicht verloren gegangen. Ich entfalte ihn aufgeregt.
    Mein kleiner Jack,
    wir hoffen, es geht dir gut und dass du gut auf dich aufpasst. Die Polizei sucht noch nach dir, daher kannst du leider noch nicht nach Hause zurück. Hab noch etwas Geduld.
    Alles Liebe,
Doktor Madeleine
    Ich habe mich wahnsinnig über die Taube gefreut, aber die kurze Nachricht, die sie überbringt, ist enttäuschend. Die Unterschrift »Doktor Madeleine« klingt seltsam förmlich. Vielleicht wollte Madeleine der Brieftaube keine allzu schwere Last ans Bein hängen. Ich schicke den Vogel sofort zurück:
    Liebe Madeleine,
    schreib mir bitte längere Briefe, und schick sie mit der normalen Post, ich werde wahrscheinlich eine Weile hierbleiben. Ich vermisse dich! Ich will mehr von dir lesen als nur ein paar Worte, die am Bein eines Vogels baumeln. Mir geht es gut, ich bin in Begleitung eines Zauberkünstlers und Uhrmachers, der regelmäßig mein Herz überprüft. Lässt dich die Polizei in Ruhe? Antworte mir schnell!
    Dein Jack.
    PS: Meine Adresse ist: Extraordinarium, 7 Calle Pablo Jardim, La Cartuja, Granada, Spanien.
    Um Mitternacht stehe ich da wie ein glücklicher Idiot und warte. Ich trage einen elektrisierend blauen Pullover, von dem ich hoffe, dass er meine grünen Augen betont. In der Geisterbahn ist es totenstill.
    Zwanzig Minuten nach Mitternacht, nichts. Halb eins, keine Miss Acacia. Zwanzig vor eins, mein Herz wird kälter, das Ticken meiner Uhr leiser.
    »Hallo, da bin ich.«
    Sie balanciert auf der Abfahrtsrampe. Selbst ihr Schatten ist sexy. Für den Anfang würde ich mich auch mit ihm begnügen, um erst einmal zu üben.
    »Oh, ich habe mich ja als du verkleidet«, sagt sie.
    Miss Acacia trägt einen Pullover, der meinem zum Verwechseln ähnelt.
    »Entschuldige, ich hatte keine Zeit, mich für unsere Verabredung extra schick zu machen. Aber zum Glück ging es dir offenbar nicht anders!«, fügt sie hinzu.
    Ich nicke und lächle, obwohl ich kleidungsmäßig alles gegeben habe.
    Ich muss immerzu auf die samtweichen Bewegungen ihrer Lippen starren. Natürlich fällt es ihr auf. Unser Schweigen hängt erwartungsvoll in der Dunkelheit, das leise Ticken meiner Uhr kriecht ihr ins Ohr.
    »Dein Auftritt in der Geisterbahn war ein voller Erfolg, am Ende strahlten alle Mädchen vor Glück«, sagt Miss Acacia plötzlich und jagt der feierlichen Stille ein Messer in die Brust.
    »Das ist schlecht. Ich soll die Leute nicht glücklich machen, sondern ihnen Angst machen, um zu existieren. Besser gesagt, um nicht gefeuert zu werden.«
    »Ist es nicht egal, ob du die Leute zum Lachen oder zum Kreischen bringst? Hauptsache, du lässt sie nicht kalt …«
    »Brigitte die Schreckliche hat gesagt, es sei nicht gut für den Ruf ihrer Geisterbahn, wenn die Leute beim Rausgehen ein Lächeln auf den Lippen hätten. Ich fürchte, ich muss lernen, die Besucher zu Tode zu erschrecken, wenn ich meine Arbeit behalten will.«
    »Erschrecken ist doch eigentlich auch nichts anderes als verführen, und darin scheinst du ziemlich gut zu sein.«
    Ich will ihr sagen, dass ich eine Prothese in der Brust habe, dass ich in Liebesdingen völlig unerfahren bin, dass das zwischen uns einzigartig ist. Na gut, ich habe mir von einem Zauberkünstler ein paar Tricks in Sachen Liebesmagie verraten lassen, aber einzig und allein, um ihr Herz zu erobern. Ich will sie verführen, aber sie soll mich nicht für einen Verführer halten. Dabei die richtige Dosis zu finden, ist ein Balanceakt. Deshalb murmele ich nur: »Darf ich dich vielleicht in den

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