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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wird.«
    »Ihr seid grausam.«
    »Ich tue, was getan werden muss.« Ich hieß Latif, eine Laterne anzuzünden und den Arm des Priesters mit aller Kraft festzuhalten. Dann drückte ich mit entschlossenem Schwung den glühenden Griff in die Wunde. Helvetico stieß einen dumpfen Schrei aus, es zischte und qualmte und roch nach verbranntem Fleisch, doch allem Anschein nach blutete die ausgebrannte Wunde nicht mehr.
    Helvetico wimmerte und sagte irgendetwas, aber ich verstand ihn nicht, denn er hatte das Küchenbrett noch zwischen den Zähnen. »Es ist überstanden«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Die Blutung steht. Nehmt das Brett aus dem Mund, damit ich Euch etwas
laudanum
einflößen kann. Das wird die
eucrasia
Eurer Säfte wiederherstellen, den Schmerz nehmen und Euch schlafen lassen.«
    Helvetico antwortete nicht, aber er gehorchte.
    Ich gab ihm einen Löffel von der Opiumtinktur und strich die gekauterte Stelle mit Wundsalbe ein. Dann verband ich ihn sorgfältig. Ich stellte fest, dass ich ihm nicht gerne half, und ich schalt mich dafür. Aber ich konnte nicht anders.
    Kurz darauf zog ich mich in mein Zimmer zurück und warf mich auf mein Bett. Die Anspannung fiel von mir ab. Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf und heulte wie ein Kind, allerdings so leise wie möglich, wobei ich hoffte, Latif würde es nicht hören. Ganz sicher aber war ich mir nicht, denn einmal glaubte ich ein Schnaufen an meiner Tür zu vernehmen.
    Ein Schnaufen, das sehr nach Latif klang.
     
    Die Pflegebedürftigkeit meines Patienten führte nicht nur dazu, dass ich am folgenden Montag und Dienstag dem Karneval fernbleiben musste, sie zog auch mehrere unangenehme Gespräche nach sich. So fragte Helvetico mich immer wieder, wer ich sei, und immer wieder gab ich ihm dieselbe Antwort: »Ich bin Venus, Ihr seht es an der Maske, die ich trage.«
    Ich war mir bewusst, dass es früher oder später ein Leichtes für ihn sein würde, meinen richtigen Namen herauszufinden, aber ich wollte seiner herrischen Art die Stirn bieten. Außerdem hatte ich große Angst, er könne mein Feuermal sehen.
    Einmal, während ich vorsichtig seinen Verband wechselte, fragte ich ihn, warum er sich so heftig mit der Sonne gestritten habe, und er antwortete: »Die Erde ist eine Scheibe, das hat dieser Dummkopf abgestritten. Deshalb musste ich ihn züchtigen.«
    »Hattet Ihr keine anderen Argumente als das Schwert?«
    »Meine Argumente stehen in der Heiligen Schrift. Schon im Buch der Könige heißt es: …
und Er wird Seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden Seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum anderen.«
    »Das klingt für mich eher nach den Himmelsrichtungen als nach einer Scheibe.«
    »Maßt Euch nicht an, die Bibel auslegen zu wollen! Oder habt Ihr Theologie studiert?«
    »Nein, das habe ich nicht. Und ich bin mir keineswegs sicher, ob ich als Frau dies gedurft hätte.« Ich verknotete abschließend die Leinenstreifen seines Verbandes.
    »Meine Frage war rein rhetorisch gemeint. Die Erde ist eine Scheibe, und die Sonne umkreist sie.«
    »Aristoteles war da anderer Meinung.«
    »Was wisst Ihr schon von Aristoteles! Seine These war, dass die Erde den Mittelpunkt des Alls darstellt, woraus wie von selbst resultiert, dass sich alle anderen Himmelskörper um sie drehen.«
    »Da habt Ihr sicher recht, Hochwürden.« Ich räumte das Verbandszeug fort und merkte, wie ich mich einmal mehr über meinen Patienten ärgerte. Deshalb sprach ich weiter, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre, zu schweigen. »Aber in seiner Schrift
Über die Himmel
sagt Aristoteles auch, dass die Erde als Mittelpunkt rund ist.«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    »Ich habe es gelesen.«
    »Ihr könnt griechisch lesen?«
    »Ich kenne eine lateinische Übersetzung.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Das habe ich Euch schon zur Genüge beantwortet. Und ich sage Euch, dass Aristoteles zwei gute Beweise für die Kugelform der Erde anführte: Erstens die Tatsache, dass der Erdschatten bei einer Mondfinsternis stets rund erscheint, und zweitens, dass bei einem am Horizont auftauchenden Schiff immer zuerst die Segel sichtbar werden – bedingt durch die Erdkrümmung.«
    »Das sind Fantastereien. Ich will darüber nicht länger diskutieren, sonst würde ich mich Euch nicht mehr verpflichtet fühlen. Ihr seid eine seltsame Frau, hinter deren Identität ich noch kommen werde. Ebenso, wie ich den Namen der Sonne feststellen lassen werde, die den Inhalt

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