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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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der Heiligen Schrift
ad absurdum
führen will. Ich werde diese Sonne der Inquisition übergeben, so wahr ich Helvetico heiße.«
    »Wie Ihr meint, Hochwürden«, presste ich hervor, und die Angst schnürte mir fast die Kehle zu, denn ich musste an Fabio, den
allacrimanto,
und an die Folter mit den Ziegen denken.
    Rasch verließ ich den Raum.
     
    Ein andermal, als Helvetico herausgefunden hatte, dass Latif Muslim ist, machte er eine abfällige Bemerkung über die von Mohammed gestiftete Religion, und mein Diener rief empört: »Ihr macht es meiner Herrin und mir schwer, gute Gastgeber zu sein. Ich muss Euch daran erinnern, dass Ihr zwar ein bedeutender Mann sein mögt, aber gegen die Größe Mohammeds nicht mehr als ein Staubkorn im Wind seid.«
    »Was erdreistest du dich, Diener! Mohammed war auch nur ein Mensch.«
    »Aber er war ein Prophet, er schenkte uns die Erleuchtung, Herr! Er lehrte uns, Allah, den Alleinregierenden über Himmel und Erde, zu preisen.«
    Helvetico war während der letzten Worte immer zorniger geworden. Jetzt wandte er sich an mich: »Sagt Eurem vorlauten Handlanger, dass es unter meiner Würde ist, mit ihm über etwas zu streiten, von dem er nichts versteht. Der allein seligmachende Glaube ist der katholische.«
    »Natürlich«, sagte ich, um ihn zu beruhigen. Doch ich konnte mir nicht verkneifen, mit Unschuldsmiene hinzuzufügen: »Ich finde, man darf Mohammed nicht vorwerfen, er sei nur ein Mensch gewesen, schließlich wird auch Jesus in der Bibel als Menschensohn bezeichnet.«
    »Jesus von Nazaret ist der Sohn Gottes und damit selbst göttlich, alles andere ist Scharlatanerie, wie sie auch dieser Martin Luther verbreitet hat. Ein übler Ketzer war er, mehr nicht, ein Verblendeter, der auf den Scheiterhaufen gehört hätte, denn er schrieb unserem Heiland folgende Attribute zu:
humanitas, infirmitas, stultitia, ignominia, inopia, mors, humilitas …
also: Menschlichkeit, Schwachheit, Torheit, Unwissenheit, Unvollkommenheit, Sterblichkeit, Niedrigkeit.« Helvetico blickte Latif herausfordernd an. »Aber es mag sein, dass alle diese Eigenschaften im Koran als erstrebenswert erscheinen.«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Latif wäre mit den Fäusten auf den Priester losgegangen, aber ich konnte ihn gerade noch davon abhalten. »Lass es gut sein, Latif«, sagte ich. »Und Ihr, Hochwürden, solltet jetzt etwas schlafen, damit Ihr rasch gesund werdet.«
    Ich dachte, ich hätte endgültig für Ruhe zwischen den beiden gesorgt, doch ich irrte mich, denn später am Tag wurden meine Schlichtungsfähigkeiten nochmals auf eine harte Probe gestellt, als Latif, der sonst seine Gebete im Garten hinter dem Haus verrichtete, diesmal seine Gewohnheit durchbrach und direkt vor dem Lager Helveticos seinen Teppich ausrollte. So kam es, dass mein Patient, weiß vor Wut, die Lobpreisung Allahs unmittelbar neben sich mit anhören musste.
»Allah akbar … ashadu annaha lahilaha illa’llah …«
    Als dies geschah, befand ich mich gerade im oberen Stockwerk und kam erst dazu, als Latif schon mitten im Gebet war. Ein Blick genügte mir, um die Situation zu erfassen, aber ich konnte und wollte meinen Diener nicht bei seiner Zwiesprache mit Allah unterbrechen. Es wäre nicht richtig gewesen, das spürte ich.
    Lange Augenblicke vergingen, bis er endlich fertig war und sich anschickte, mit scheinheiligem Gesicht seinen Teppich einzurollen. Helvetico holte tief Luft, doch bevor er Gift und Galle spucken konnte, was die Situation zweifellos noch weiter verschärft hätte, drängte ich Latif aus dem Raum. »Wie kannst du nur so etwas tun!«, fauchte ich ihn an.
    »Er ist ein Mann mit einer hässlichen Seele, Herrin. Er hat den Koran beleidigt.«
    »Das hat er zweifellos. Aber ist es darum richtig, Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Es gibt in eurem Heiligen Buch doch sicher eine Stelle, die das verbietet? Geh jetzt in die Küche und mach deine Arbeit. Ich bin sehr ärgerlich auf dich!«
    Langsam dämmerte Latif die Tragweite seines Verhaltens, und er schlug die Augen nieder. »Ich wollte Euch nicht verärgern, Herrin, aber wir Muslims haben ein Recht darauf, unseren Glauben zu verteidigen.«
    »Das will ich nicht bezweifeln, aber das, was du dir eben geleistet hast, ging entschieden zu weit. Nun mach dich in der Küche nützlich.«
    »Ja, Herrin.«
    Ich ging zum Lager Helveticos und sagte zu ihm: »Ich möchte, dass Friede in meinem Haus herrscht. Latif wurde soeben von mir gemaßregelt. Ich hoffe, die Sache ist

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