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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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These, denn ich habe schon kleine, unscheinbare Verletzungen gesehen, die ungleich schmerzhafter waren als deutlich größere. Und ich habe von Soldaten gehört, die weiterhin unter Schmerzen litten, obwohl ihre Wunden längst verheilt waren. Sogar abgetrennte Gliedmaßen können noch weh tun, zum Beispiel bei einer Wetteränderung. Wie gesagt, der Schmerz ist ein
phaenomenon.«
    »Ja, Herrin. Es könnte also sein, dass die Glocken während meiner Operation nicht allzu stark läuten?«
    »Es könnte so sein. Aber es ist nicht wahrscheinlich. In jedem Fall würde ich dir lindernde Medikamente geben.«
    »Ja, Herrin. Gesetzt den Fall, Ihr würdet in den nächsten Tagen den Küster spielen, wann wäre meine Nase dann wieder ansehnlich?«
    Ich überlegte. »In der Regel dauern die sechs Akte der Prozedur vier bis fünf Monate. Spätestens Mitte Juni solltest du alles überstanden haben.«
    Latif kratzte sich am Kopf. »Das würde ja hinkommen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine, das würde zeitlich hinkommen, Herrin. Ihr habt gesagt, Giancarlo erblickt im Juli das Licht der Welt. Ich könnte ihn dann mit einer neuen Nase begrüßen. Ein angenehmer Gedanke! Ich glaube, Allah, der Verständige, der Einsichtige, findet das auch. Wann operiert Ihr mich?«
     
    So schnell, wie Latif es sich vorstellte, ging es natürlich nicht. Einerseits lag das an der riesigen Kapuzenweste, die ich extra für ihn anfertigen und an mehreren Stellen besonders verstärken musste, andererseits an den besonderen Instrumenten, die der Eingriff bei ihm erforderlich machte. Ich besorgte mir deshalb den Namen eines Pinzetten- und Werkzeugmachers. Der Mann hieß Salvatore Pestini und wohnte in einem altersschwachen Haus, das mir von außen sehr bekannt vorkam. Ich stand davor und wusste plötzlich, warum. Hier hatte einst Alberto Dominelli sein Geschäft gehabt, jener schmächtige alte Mann, der mir Eva, mein geliebtes Anatomiepüppchen, verkauft hatte. Doch das Schild
Corpus in perfectio natura
war entfernt worden und hatte einem anderen Platz gemacht.
Instrumenti et machinae
stand darauf zu lesen.
    Ich ging hinein und wurde von einem dickleibigen Mann mit vorstehenden Augen begrüßt. Alles an ihm war fleischig, bis auf die Hände: Sie waren zierlich und klein und offenbar sehr geschickt, denn die Produkte seiner Kunst, die auf Regalen und Vitrinen lagen, sahen perfekt aus. Ich fragte nach Alberto Dominelli, und er erklärte unwillig, er könne die Frage nicht mehr hören. Jedermann wolle wissen, was aus dem alten Männchen geworden sei, dabei wisse inzwischen doch alle Welt, dass er vor einem Jahr das Zeitliche gesegnet habe.
    Ich entschuldigte mich für mein Unwissen und erklärte, ich müsse demnächst bei einer Nasenpfropfung assistieren und hätte den Auftrag, eine spezielle Zange mit querlaufenden Schlitzen in den Greifbacken zu besorgen.
    »Ja, so etwas habe ich«, antwortete er.
    »Ich fürchte, nein«, sagte ich. »Mir fällt während des Ersten Aktes die Aufgabe zu, die Zange am Oberarm anzusetzen und zusammenzudrücken, damit der brückenförmige Hautlappen herausgeschnitten werden kann. Das Problem ist nur, dass der Patient besonders dicke Arme hat und ich nur eine schwache Frau bin. Ich brauchte eine große Zange mit Griffen, die am Ende eine Art fixierbaren Schließmechanismus haben, damit meine Hand während des Haltens entlastet wird.«
    »Ich verstehe«, sagte Meister Pestini, »aber so etwas gibt es nicht.«
    »Deshalb bin ich hier. Vielleicht könntet Ihr so eine Zange bauen? Der ausführende Operateur dachte an einen mehrstufigen Schließmechanismus, etwa in dieser Art.« Ich zog ein Blatt Papier hervor, auf dem ich mit Rötel eine Skizze angefertigt hatte.
    »Wer ist denn der Operateur?«
    Diese Frage hatte ich befürchtet. Ich sagte: »Darüber darf ich nicht sprechen, der Patient ist stadtbekannt und besteht auf äußerster Diskretion.«
    »Ach, nun wird mir auch klar, warum Ihr den Schleier tragt. Ich soll Euch nicht erkennen, stimmt’s?«
    »So ist es«, sagte ich und schämte mich für meine Lüge. Pestini jedoch schien nichts zu bemerken und beugte sich über die Zeichnung: »Hm, das ließe sich wohl machen, aber der Verschluss ist sehr ungewöhnlich.«
    »Bitte fertigt ein solches Instrument an.« Ich erklärte ihm die Größe und die einzelnen Maße, die ich wollte, und am Schluss willigte er ein, das Werkzeug in einer Woche für mich bereitzuhalten, vorausgesetzt, ich würde eine Anzahlung leisten. Das tat ich

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