Die Medica von Bologna / Roman
Fieberschüben. Niemand vermochte eine genaue Diagnose zu stellen, während sie trotz bester Pflege und vieler Gebete immer schwächer wurde. Kurz bevor es mit ihr zu Ende ging, bat Mutter Florienca, die gütige Oberin, mich zu sich. »Es sieht so aus, als würde Gott der Herr unsere Schwester Marta bald in sein Himmelreich rufen«, begann sie das Gespräch mit mir. »Das Hospital braucht eine Nachfolgerin für sie. Marta selbst hat dich, Carla, als ihre Nachfolgerin vorgeschlagen.«
»Das ehrt mich sehr«, sagte ich.
»Ich habe Marta gesagt, dass ich mir keine Bessere als dich vorstellen könnte.«
Ich schwieg, denn ich ahnte, was kommen würde.
»Der Takt verlangt es, dass wir warten, bis Marta heimgegangen ist, doch danach könntest du die neue Verantwortung sofort übernehmen. Es wäre allerdings schön, wenn du – nachdem du schon so viele Jahre bei uns bist – zu diesem Zweck die Gelübde ablegen und eine von uns werden würdest. Als Nonne müsstest du natürlich einen neuen Namen annehmen. Ich dachte an Schwester Habilita, von lateinisch
habilis,
geschickt, weil du in allen Dingen sehr anstellig bist.«
»Danke für das Vertrauen, Ehrwürdige Mutter«, sagte ich, mich in Demut verneigend. Aber so demütig, wie ich mich gab, war mir nicht zumute. Ich dachte vielmehr, dass es ein gewaltiger Einschnitt in mein Leben wäre, wenn ich das Angebot annehmen würde. Ich würde mein Haus aufgeben müssen, dazu einen großen Teil meiner Freiheit und – nicht zuletzt – auch Latif, meinen Diener, denn einen Muslim im Kloster, das würde selbst die gütigste Oberin nicht gestatten.
»Darf ich um Bedenkzeit bitten, Ehrwürdige Mutter?«
»Natürlich, mein Kind. Ich werde für dich beten, dass Gott dich die richtige Entscheidung treffen lässt, und ich werde für die liebe Marta beten, dass Gott ihr einen gnädigen Tod beschert. Möge sie friedlich entschlafen und in seine Arme sinken. Er wird sie erlösen aus des Todes Gewalt.«
»Gewiss, Ehrwürdige Mutter«, sagte ich und entfernte mich.
Zu Hause beim Mittagsmahl erzählte ich Latif von der neuen Wendung in meinem Leben, aber bevor ich die Einzelheiten schildern konnte, unterbrach er mich und fasste sich ans Herz. »Herrin!«, rief er. »Das geht nicht! Wollt Ihr meinen Tod auf dem Gewissen haben?«
Ich musste lächeln wegen seines theatralischen Gehabes und erwiderte: »Ich möchte an niemandes Tod schuld sein, schon gar nicht an deinem.«
»Aber Ihr werdet eine Nonne sein, das habt Ihr eben selber gesagt.«
»Ich habe gesagt, ich soll es mir überlegen. Die Mutter Oberin hat es mir nahegelegt, um die Nachfolge von Schwester Marta antreten zu können.«
»Das heißt, Ihr müsst es nicht tun?«
»Nein, ich muss es nicht tun.«
»Nehmen wir einmal an, Herrin, Ihr tätet es nicht, dann könntet Ihr Euch vielleicht das Angebot der Bettler noch einmal überlegen? Es besteht nach wie vor.«
»Du bist in dieser Sache sehr beharrlich.«
»Es wäre ein guter Zweck, Herrin, und Allah sehr wohlgefällig. Denn es ist wichtiger, ernsthafte Krankheiten zu operieren und zu heilen, als jedem Schnupfenpatienten im Hospital den Puls zu fühlen. Außerdem gilt das Leben eines Bettlers genauso viel wie das eines jeden anderen – auch wenn seine Seele ungläubig ist.«
»Setz dich zu mir, Latif.« Ich deutete auf den Stuhl gegenüber.
»Was hat das nun wieder zu bedeuten, Herrin?« Ächzend ließ er sich nieder.
»Hör zu: Es ehrt dich, dass du dich so für die Bettler verwendest, aber ich habe meine Entscheidung getroffen, und sie gilt nach wie vor. Bitte lass mich künftig mit weiteren Fragen danach zufrieden. Ich möchte darüber nicht mehr reden.«
»Jawohl, Herrin, aber …«
»Kein Aber. Was die Möglichkeit angeht, demnächst ein Leben als Nonne zu führen, so habe ich mich ebenfalls entschieden, und zwar dagegen. Ich will, dass alles beim Alten bleibt.«
»Oh, Herrin, ist das wirklich wahr?«
»Ja, ich bleibe bei dir.«
Latif wuchtete seine Körpermassen hoch und beugte sich mit leuchtenden Augen vor. »Das ist die schönste Nachricht seit langem! Darf ich Euch küssen?«
»Nein«, sagte ich.
Und es blieb tatsächlich alles beim Alten. Ich verrichtete meinen Dienst bei den Nonnen, und Latif verrichtete seinen Dienst in meinem Haus. Nur ein Mal, im August dieses Jahres 1578, wurde mein seelisches Gleichgewicht gestört, als ich erfuhr, dass Gaspare zum zweiten Mal Vater geworden war. Das Kind, ein Mädchen, wurde am zehnten August in der
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