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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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feilschen, bis die Sonne untergegangen ist.«
    »Vielleicht reiten sie erst morgen früh los.«
    »Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Mr. Rodgers schien es allerdings ziemlich eilig zu haben. Aber Mr. Danaher läuft denen nicht davon. Der Mann kommt nur drei oder vier Mal im Jahr in die Stadt. Ich fand immer, daß er aussieht wie einer, dem eine Frau besser aus dem Weg gehen sollte. Sie müssen sich zu Tode geängstigt haben, die ganze Zeit mit dem Unhold verbringen zu müssen.«
    Olivia bemühte sich um ihre Fassung und lächelte verbindlich. »Ich hätte wohl mehr Angst haben müssen, als ich wirklich hatte. Ich bedanke mich, Mrs. Shriner.«
    »Keine Ursache. Grüßen Sie Mrs. Talbot von mir, die Gute.«
    Olivia rannte die Straße entlang zum Haus der Talbots, ungeachtet der neugierigen Blicke, die sie auf sich zog. Sie wußte, was sie zu tun hatte, und sie mußte sich beeilen.

Kapitel 18
    Der Ritt ins Gebirge schien nicht enden zu wollen. Beim ersten Mal hatte Olivia andere Dinge im Kopf gehabt, als auf den Weg zu achten, und nun stellte sie fest, daß ständig Spuren abzweigten. In diesen Bergen war intensiv nach Gold und Silber geschürft worden, und jede Wagenspur schien sich einzig zu dem Zweck tief eingegraben zu haben, um sie irre zu leiten. Sie mußte sich auf ihr Gefühl verlassen und dem Weg folgen, der ihr richtig schien, und wenn mehr als einer richtig schien, konnte sie nur hoffen, daß das Glück auf ihrer Seite war. Wenn es so etwas wie Gerechtigkeit auf der Welt gab, würden die beiden Männer, die Gabe nachstellten, ebenso verwirrt sein wie Olivia.
    Amys nervöses Reitpferd machte ihr die Sache nicht leichter. Die Stute war in den Monaten von Amys Schwangerschaft nur wenig bewegt worden und war so nervös, daß sie bei jedem Laut und jeder Bewegung wilde Sprünge machte. Olivias Reitkünste hatten sich in den letzten Wochen nur mäßig verbessert. Wäre sie abgeworfen worden, wäre die Stute vermutlich mit peitschendem Schweif losgeprescht, froh, ihre Reiterin loszusein.
    Sobald sie den Thunder Creek erreicht hätte, wäre es leichter, da sie nur dem Bach über die Hochgebirgsmatten unter dem Thunder Ridge zu folgen brauchte, redete Olivia sich ein. Sie versuchte nicht an die Schneeverwehungen zu denken, die das Pferd ermüdeten, auch nicht, daß die Sonne rasch hinter den Bergen versank oder an den gefährlichen Geröllhang, den sie im Dunkeln überqueren mußte, noch weniger an die Wölfe, die beinahe jede Nacht geheult hatten, die sie in Gabes Hütte verbracht hatte.
    Amy hatte ihr dringend abgeraten, allein in die Wildnis von Montana zu reiten, sie, die unerfahrene Großstädterin aus New York. Ihre romantischen Vorstellungen von Olivia und Gabriel Danaher waren schnell verflogen, als Olivia von Mord sprach.
    »Er hat seine Frau getötet?« entfuhr es Amy entsetzt. »Olivia! Wenn ich daran denke, daß du die ganze Zeit mit ihm allein warst!«
    »Er kann seine Frau nicht umgebracht haben.«
    »Aber wenn das Gesetz …«
    »Ich habe große Achtung vor dem Gesetz, Amy, doch hier handelt es sich um einen Kopfgeldjäger oder sowas ähnliches. Wenn Gabriel schuldig ist, wieso ist dann kein Marshall oder ein anderer Gesetzeshüter hinter ihm her?«
    »Vielleicht weil es zu wenige davon gibt in dieser Gegend«, entgegnete Amy. »Olivia, halte dich da raus. Du verhilfst einem Verbrecher zur Flucht. Welchen Eindruck macht das auf die Klinikleitung, wenn du demnächst deine Stellung antrittst? Denk an deine Zukunft, an alles, was du dir so hart erarbeitet hast. Olivia, überlege, was du tust!«
    Olivia hatte überlegt, aber sie war zu nichts anderem fähig, als an Gabriel zu denken. Seltsamerweise überzeugten Amy die Anschuldigungen gegen ihn von der Unmöglichkeit einer Verbindung, während sie Olivia klar machte, daß sie ihn nicht verlassen konnte. Sie kannte die Geschichte des Mannes nicht, aber sie kannte ihn. Herz und Seele waren der Maßstab für einen Menschen, und Gabriels Herz und Seele waren ein Teil von ihr. Wenn sie ihn jetzt verließ, würde sie nie wieder Frieden finden. Und sollte – Gott behüte – Gabriel aufgehängt, erschossen, gevierteilt werden, oder was immer das Gesetz als Strafe für Verbrecher in diesem unzivilisierten Land vorsah, würde ein großes Stück von Olivia mit ihm leiden und sterben.
    Es war beinahe Mittag des nächsten Tages, als eine durchfrorene, hungrige, erschöpfte und wundgerittene Olivia an der Hütte ankam. Ellen begrüßte sie an der Tür, vor

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