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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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als ihre Flinten Feuer spuckten. Gabe hörte nur das Rauschen seines Blutes und den Donnerschlag von Longshots Hufen. Er hatte nur den einen Wunsch, Candliss fallen zu sehen.
    Beide Pistolen waren leer geschossen, als Gabe durch die Barriere von Männern und Pferden brach. Candliss saß immer noch im Sattel. Gabe blieb keine Zeit, sein Gewehr hochzureißen. Longshot sah die leere Straße vor sich und stürmte in die Freiheit. Schüsse pfiffen ihm um die Ohren, ein Schlag traf ihn am Schenkel. Eine Sekunde lang glaubte Gabe, aus dem Sattel gerissen zu werden, er klammerte sich verbissen fest, die Wucht des Einschlags verursachte ihm Übelkeit. Vor ihm tauchten plötzlich andere Männer auf.
    Er riß Longshot nach rechts und tauchte in eine schmale, dunkle Gasse zwischen zwei Häusern ein. Am Ende der Gasse zwang ihn ein Graben zu einer langsameren Gangart. Aus dem wüsten Geschrei hinter sich hörte er Candliss Stimme heraus, vor Wut sich überschlagend: »Sucht das Schwein, verflucht nochmal!«
    Sie fanden den Durchschlupf, doch da ritt Gabe schon längst auf die schwarzen Berge zu. Longshot holte kräftig aus in einem ausdauernden Galopp. Der Sattel war von dem eigenen Blut durchtränkt. Gabe hielt sich fest und ließ sich von Longshot tragen, wohin sie wollte. Allmählich verlor sich der Lärm der Verfolger in der Ferne.
     
    »Bei den Talbots bleib ich nicht!« Katy nahm das Gewehr von den Haken über dem Kamin und putzte den Lauf mit einem Wollappen. »Sylvester Talbot ist ein eingebildeter Affe.«
    Olivia, die Töpfe und Teller in einen Karton packte, hob den Kopf. »Katy, das ist häßlich – und falsch. Mr. Talbot ist ein guter Mensch und ein Herr mit guten Manieren. Mit deinem Geschimpfe und Schmollen hilfst du deinem Vater kein bißchen.«
    »Wenn wir unsere Zeit hier in der Hütte vertrödeln, helfen wir ihm auch nicht. In Virginia City könnten wir wenigstens etwas tun.«
    »Du tust überhaupt nichts, mein Fräulein. Dein Vater will uns dort nicht haben – keinen von uns.«
    »Aber«, mischte Ellen sich ein, »wir müssen etwas tun!«
    »Ich habe den besten Anwalt für ihn besorgt, den ich finden konnte.«
    Katy brummte verächtlich. »Anwalt!«
    »Ich verstehe nicht, wie Geschworene überhaupt daran denken können, ihn zu verurteilen, nur weil er sein Zuhause und seine Familie verteidigt hat.«
    »Die tun doch nur das, was Ace Candliss ihnen vorschreibt«, höhnte Katy. »Das tun alle.«
    Hunter winselte und schaute von Katy zu Ellen und Olivia, versuchte, sich seinen wölfischen Reim auf die Geschehnisse der letzten Tage zu machen. Olivia kraulte ihn geistesabwesend hinter den Ohren. Sie kam sich vor wie eine hundertjährige Greisin. Beinahe wünschte sie, Katy rechtzugeben, die wieder Hosen und ihr Holzfällerhemd trug.
    Olivia sehnte sich – wie die Zwillinge – danach, zu handeln, eine Flucht oder eine heldenhafte Rettungsaktion zu planen – irgend etwas, um sich nicht so furchtbar hilflos zu fühlen.
    Es war ihre Pflicht, für die Sicherheit von Gabriels Töchter zu sorgen und nicht ihre Frustration auszutoben. Darum hatte er sie gebeten, und das würde sie tun, auch wenn die Mädchen sie nicht verstanden. Manche Situationen mußte man allein durchstehen, auch wenn die Menschen, die man liebte, kein Verständnis dafür aufbrachten.
    Katy stapfte wütend in der Hütte herum, griff Gegenstände, die noch zu verpacken waren, und warf Olivia beleidigte Blicke zu.
    »Wir haben das hundertmal besprochen, Kinder, auf der Fahrt nach Elkhorn und auf dem Weg in die Berge.«
    Ellen schniefte. Katy machte ein finsteres Gesicht. Hunter legte unsicher die Ohren an.
    »Begreift ihr denn nicht, daß euer Auftauchen in Virginia City für euren Vater alles nur noch schwerer machen würde? Gott bewahre uns davor, daß ihr irgendeinen Blödsinn ausheckt und versucht, ihn aus dem Gefängnis zu befreien. Er würde nur daran denken, euch zu retten, und nicht auf die Idee kommen, sich selbst zu retten.«
    Die beiden Mädchen blickten finster zu Boden.
    »Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, aber manchmal ist es das Vernünftigste, sich herauszuhalten, wenn der Mensch, den man liebt, es von einem verlangt. Das Vernünftigste und das Schwerste.«
    Tränen kullerten über Ellens Wangen. Katys Blicke brannten ein Loch in den Fußboden.
    »Hat Mr. Berman etwas über Pas Chancen gesagt?«
    »In dem Brief, den er mir nach Elkhorn geschrieben hat, steht nur, daß der Richter ab 20. Februar wieder in der Stadt sein

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