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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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lang zum Krüppel machte.
    »Hallo, O’Connell. Zufrieden mit der Unterkunft?«
    Der Gefangene starrte ihn dumpf an wie ein Tier. Haß funkelte in seinen Augen. Candliss hoffte, daß der Haß in dem Dreckskerl loderte, daß er ihn zerfraß, so wie er Ace zerfraß. Sein Haß würde bald gestillt sein. O’Connell aber würde mit dem Gift in seinem Herzen sterben, und Candliss wollte seine Qualen noch verstärken.
    »Wie ich höre, hatten Sie Besuch von einer Dame. Die süße Kleine hat sogar einen Anwalt für Sie bestellt, der Ihnen allerdings nichts nützen wird. Sie hatte zwei Kinder bei sich. Hübsche kleine Mädchen, wie ich höre. Obwohl sie Halbblut sind.« Er lächelte böse. »Zugegeben, auch ich habe mir hin und wieder eine Indianerin genehmigt.«
    Candliss sah mit Genugtuung, wie das Feuer in den Augen seines Opfers aufloderte.
    »Wie alt sind die Gören jetzt? Zwölf, dreizehn? Bißchen jung, aber brauchbar.«
    »Sie kämpfen gegen mich, Candliss.«
    »Ja, das stimmt. Sie haben meinen Bruder getötet, O’Connell. Meinen einzigen Bruder. Manchmal denke ich, es ist schlimmer, einen Angehörigen sterben zu sehen, als selbst zu sterben.«
    »Es gibt hier niemand, der Sie hört außer mir, Sie müssen also bei mir nicht das unschuldige Opfer spielen. Ihr Bruder hat nur bekommen, was er verdiente, und wenn ich besser getroffen hätte, hätte ich auch Sie weggepustet. Sie haben meine Frau vergewaltigt, verprügelt und getötet.«
    »Eine dreckige Indianerin!« knirschte Candliss. »Sie haben meinen Bruder wegen einer wertlosen Indianerin getötet!«
    »Meine Frau! Die Mutter meiner Kinder!«
    »Eine Squaw, verflucht nochmal! Wir hatten nur ein bißchen Spaß mit ihr, und wenn sie uns nicht frech gekommen wäre, hätten wir nicht grob werden müssen. Sie ist durch ein Versehen umgekommen. Es war genauso Ihre Schuld wie unsere.«
    O’Connell starrte ihn an, und sein Blick verriet Mord.
    »Meinen Bruder. Meinen einzigen Angehörigen. So wie diese Halbblutkinder Ihre einzigen Familienangehörigen sind. Denken Sie mal nach, wie hilflos die Bälger wären, wenn Ihnen der Hals langgezogen würde.«
    »Die Kinder sind weit davon entfernt, hilflos zu sein, Candliss.«
    »Vielleicht beantrage ich sogar die Vormundschaft für die reizenden Kleinen. Eine großherzige Geste, die Töchter meines Feindes unter meine Fittiche zu nehmen, finden Sie nicht auch? Das wird mir bestimmt Stimmen bringen.«
    Die Gesichtszüge des Gefangenen waren wie erstarrt, doch Candliss erkannte die Verzweiflung tief in seinem Inneren.
    »Ich weiß, wo Ihre Hütte ist, O’Connell. Und ich kenne den Namen der Frau, bei der die Kinder sich aufhalten. Selbst wenn sie nicht zu Ihrer Hütte zurückkehren, finde ich sie. Ich bin ein mächtiger Mann. Vor mir kann sich niemand lange verbergen.«
    Er lachte in sich hinein und sah, wie der Pfeil saß.
    »Denken Sie darüber nach. Malen Sie sich aus, was ich mit den Kleinen tue, wenn Sie aus dem Weg geschafft sind – vielleicht schon vorher. Es gibt ja nicht viel, was mich aufhalten könnte. Kleine Mädchen sind so zarte Geschöpfe. Sie sind leicht zu brechen.«
    Im Umdrehen sah Candliss, daß O’Connell die Eisenstäbe umklammerte. Seine Knöchel waren weiß, sein Gesicht wie aus Stein.
    »Denken Sie nur darüber nach, Sie Mistkerl.«
     
    Eine Stunde später donnerte der Trommelwirbel von Pferdehufen am Gefängnis vorbei. Ein Stein zerschlug das vergitterte Glasfenster und blieb auf dem Boden liegen.
    Gabe nahm ihn an sich, bevor Deputy Roscoe den Kopf durch die Tür in den Vorraum steckte.
    »Was war das?«
    Gabe wies mit einer Kopfbewegung auf das zerbrochene Fenster. »Ein Stein flog durchs Fenster.«
    »Verdammte Idioten. Es wird nachts ziemlich kalt, O’Connell. Heute wird keiner mehr die Scheibe reparieren.«
    Gabe zuckte mit den Achseln. »Vielleicht krieche ich zwischen den Stäben durch.«
    Roscoe betrachtete ihn mißtrauisch, als sei Gabe tatsächlich in der Lage, sich durch die im Abstand von fünf Zentimetern verankerten Eisenstäbe zu zwängen. »Vielleicht kann man die gebrochene Scheibe wenigstens mit einem Karton abdecken. Wenn ich jemand finde, der mich im Büro vertritt, geh ich rüber zu Jake Miller.«
    »Das wäre gut.«
    Sobald Roscoe verschwunden war, untersuchte Gabe den Stein, an dem ein Gegenstand befestigt war. Wenn er sich nicht irrte, war es ein Schlüssel zur Gefängniszelle. Er lächelte. Candliss war ein tüchtiger Bursche. Wenn er sich etwas in den Kopf setzte, zögerte

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