Die Medizinfrau
er nicht lange.
Die Falle war lächerlich plump. Doch zwischen William Gabriel O’Connell und Ace Candliss waren Feinheiten unnötig. Beide wußten, was sie wollten, und nur einer von ihnen würde sein Ziel erreichen.
Kapitel 19
Die Nacht war stockdunkel und naßkalt. Mond und Sterne waren hinter Wolken verborgen, vereinzelte Schneeflocken taumelten zu Boden. Vor dem Gefängnis drückte Gabe sich an die Ziegelmauer in den Schatten. Deputy Roscoe lag schlafend über seinem Schreibtisch, von einem Blechnapf am Hinterkopf getroffen. Der harmlose, junge Narr hatte weder gehört wie die Tür zum Zellenvorraum hinter ihm aufgemacht wurde noch Gabes leise Schritte auf den Bodenbrettern. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem köstlichen Abendessen der Witwe Crabtree, das auf einem Tablett vor ihm stand. Die gute Frau würde ihm hoffentlich die Kopfwunde verbinden und dem jungen Burschen einen Vortrag halten, den er dringend brauchte, damit er in Zukunft den Kopf bei der Arbeit behielt.
Die Kneipen und Spielhöllen von Virginia City waren voll, aus Fenstern und Türen fiel gelber Lichtschein auf die Straße, begleitet von Klaviergeklimper und Stimmengewirr. Ladengeschäfte und Büros waren um die Zeit geschlossen und dunkel. Zwei Männer auf der anderen Straßenseite steuerten eine Bar an. Sonst war niemand zu sehen. Marshall Kale hatte sich vermutlich die Nase tüchtig mit Whiskey begossen, wie beinahe jeden Abend. Keine Spur von Candliss und seinen Männern, aber sie waren nicht weit. Ace hatte ihm den Schlüssel zu seiner Gefängniszelle nicht reingeworfen, um ihn mit heiler Haut davonkommen zu lassen.
Gabe zog den Hut tief ins Gesicht und ging auf den Mietstall zu, als sei es sein gutes Recht, auf der Straße zu sein. Das alles ging zu glatt. Irgendwo lauerte Ace mit seinen Leuten. Candliss hatte ihm sozusagen eine gedruckte Einladung zur Flucht zukommen lassen; mit seinen höhnischen Drohungen, den Zwillingen etwas antun zu wollen, vergewisserte er sich, daß Gabe diese Einladung auch annahm. Er wollte sich das Vergnügen gönnen, ihn selber abzuknallen, statt auf den Spruch der Geschworenen zu warten. Gabe war das gerade recht. Er wollte es darauf ankommen lassen und setzte alles auf eine Karte.
Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, daß Candliss jedes Wort seiner Drohung wahrmachte. Er mußte der Falle entgehen, die irgendwo auf ihn wartete, und sei es nur, um Katy und Ellen in Sicherheit zu bringen.
Der Mietstall war dunkel, Gabe wagte nicht, eine Lampe anzuzünden. Longshot stand ziemlich weit hinten. In weniger als einer Minute saß Gabe im Sattel. Eine Büchse aus dem Waffenschrank des Marhalls lag quer über dem Sattelknauf, an seinem Gürtel hingen zwei Pistolen.
Die dunkle Straße war still und menschenleer. Die beiden Passanten waren in einer Kneipe verschwunden. Das Klavier klang verstimmt. Der Schneefall war dichter geworden. Eine winzige Bewegung in der Gasse neben dem Stall steigerte Gabes Spannung. Dort lauerten sie. Eine spektakuläre Jagd durch die Hauptstraße war geplant, um die Erschießung des Verbrechers auf der Flucht für jedermann sichtbar zu dokumentieren. Er spürte Candliss’ Gegenwart in der Dunkelheit. Gleich würde eine gute alte Fuchsjagd beginnen, und er war der Fuchs.
»Ho!« flüsterte Gabe durch die Zähne und gab Longshot die Sporen. Die Stute preschte sofort im Galopp los. Mit dem Anschleichen war es nun vorüber. Hinter ihm brach Gejohle los, begleitet von vielfachen Hufschlägen, die den nächtlichen Frieden zertrampelten. Eine Kugel spritzte den Sand neben ihm hoch. Weiter vorne, wo die Hauptstraße abbog und auf die Berge zuhielt, versperrten ihm drei Männer mit Gewehren im Anschlag den Weg. Die Falle war zugeschnappt. Gabe würde zwischen Hammer und Amboß zerschmettert werden.
Wenn Candliss ihn im Visier hatte, so konnte er den Spieß ebensogut umdrehen. Bei dem Gedanken durchströmte ihn ein irrsinniges Glücksgefühl. Mit einem wilden Schrei riß er die Stute herum und stürmte seinen Verfolgern entgegen. Gleichzeitig feuerte er Schüsse aus beiden Pistolen, und jede einzelne Kugel galt Ace Candliss. Irgendwie nahm er die Männer mit den verblüfft aufgerissenen Mäulern wahr. Der Haufen war völlig konfus, Pferde stiegen hoch, schlugen aus, die Männer versuchten kopflos, sich vor dem Kugelhagel in Sicherheit zu bringen. Candliss schrie einen Befehl und brachte sein Gewehr in Anschlag. Nun hoben auch die anderen Männer ihre Waffen. Gabe hatte sie fast erreicht,
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