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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Sprache.
    In der nächsten Nacht schlief sie auf dem Dachboden und überließ Gabe das Bett.
    Olivia und Danaher schlossen stillschweigend Waffenstillstand. Die Kinder schwebten zwar nicht mehr in Lebensgefahr, dennoch hatten sie die Krankheit noch lange nicht überwunden. Während der nächsten Woche waren die Zwillinge oft noch zu schwach, um alleine zu essen. Die Gefahr eines Rückfalls war nicht ausgeschlossen, und Olivia wußte, daß ihre Patienten noch Pflege rund um die Uhr brauchten. Danaher half ihr dabei und bemühte sich, höflich zu sein. Wenn sie erschöpft war, zwang er sie, sich schlafen zu legen. Aus einer Truhe kramte er frische Kleider. Die Kleider seiner Frau, erklärte er und nötigte sie ihr auf. Als sie dann aber eines von Minnies Kleidern trug, formten sich seine Lippen zu einem schmalen Strich, und seine Augen verdunkelten sich.
    Er verwöhnte sie. Als die für diese Jahrezeit ungewöhnlich warmen Sonnentage vorüber waren, graue Wolken aufzogen und ein kalter Wind ums Haus pfiff, trug er einen Stapel Wolldecken auf den Dachboden, da sie sich strikt weigerte, ihn auf dem Speicher schlafen zu lassen. Wenn sie nicht aß, zwang er sie zu essen. Wenn sie ohne Mantel ins Freie ging, trug er ihr den Mantel nach.
    Danaher erwies ihr damit seine Dankbarkeit, das wußte Olivia. Sie hatte zwar nicht viel zur Genesung der Kinder beigetragen, außer sich bemüht, ihre Abwehrkräfte zu stärken. Doch wenn ihr Entführer sich in ihrer Schuld fühlte, war das seine Sache. Sie wußte immer noch nicht, ob sie vor dem Mann Angst haben sollte, oder ob er sie neugierig machte.
    Das, was sie von Danaher wußte, war nicht sonderlich ermutigend. Er war jähzornig und warf Gegenstände an die Wand. Er zögerte nicht, seinen Willen mit der Waffe durchzusetzen. Er war mit einer Indianerin verheiratet gewesen und pflegte freundschaftlichen Umgang mit einem grimmig aussehenden indianischen Krieger und einer alten Frau, die gedroht hatte, ihr die Haare auszureißen. Er hatte Zwillingstöchter, die er vergötterte. Eine von ihnen trank Whiskey und murmelte im Schlaf Worte, die Olivia an Dockarbeiter im New Yorker Hafen erinnerten. Mehr wußte Olivia nicht über Gabriel Danaher. Obwohl sie ständig mit ihm zusammen war, konnte sie nicht viel aus ihm herausbekommen.
    Er brachte ihr das Schachspielen bei, um sich die Zeit zu vertreiben, während die Kinder schliefen. Olivia hatte Schach immer für ein Spiel der gebildeten Schicht gehalten. Doch dieser unzivilisierte Goldsucher besaß ein Schachbrett und Figuren, die einem aristokratischen Herrenhaus zur Ehre gereicht hätten. Das Spiel habe ihm ein Engländer hinterlassen, mit dem er vor langer Zeit in den Westen gezogen war, erklärte Gabe.
    »Ein wirklich feiner Pinkel«, erzählte Gabe eines Nachmittags, als sie spielten – vielmehr, er spielte und Olivia hatte Mühe, sich daran zu erinnern, welche Figuren welche Züge machen durften. »Das Schachspiel hatte er in seinen Satteltaschen. Und jeden Abend, wenn wir unser Lager aufschlugen, holte er es hervor, und wir spielten eine Partie. Er hatte auch einen Fotoapparat. Alles, was er sah, fotografierte er.« Danaher nahm ihren Springer.
    »Waren Sie sein Führer?«
    Gabe lachte. »Wohl kaum. Ich war damals noch ein richtiger Grünschnabel. Weiter in den Westen als bis zur West Side von New York bin ich damals nicht gekommen. Doch er wußte, wohin er wollte. Hatte alle möglichen Bücher über den Wilden Westen bei sich und wollte das Land aus dem Sattel kennenlernen, statt durchs Fenster eines Zugabteils. Ich habe ihn begleitet, nachdem ich ihm aus der Patsche geholfen habe.«
    Sie nahm einen seiner Bauern. Aus seinem Lächeln schloß sie, daß er gehofft hatte, sie würde genau diesen Zug machen.
    »Sie haben in New York gelebt?«
    »Als Neunjähriger kam ich mit meiner Mutter im Schiff rüber.«
    Sein Läufer bedrohte ihre Königin. »Sie versuchte, mich mit Bücherwissen vollzustopfen, aber ich hatte einen mächtigen Dickschädel und starke Hände. Hab’ mir einen Job in den Docks besorgt und gutes Geld verdient. Damit konnte ich meiner Mutter ein schönes Begräbnis bezahlen, als sie starb. Dann kam dieser Engländer daherspaziert und kriegte Stunk mit den Kumpels, mit denen ich gearbeitet habe. Sie haben ihn ordentlich verdroschen.«
    Ihr Springer blockierte seinen Läufer. »Warum haben sie ihn angegriffen?«
    Gabe zuckte die Achseln. »Er war Engländer, meine Kumpels Iren. Ich habe ihm geholfen.«
    »Sie sind auch

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