Die Medizinfrau
Baumwollstoff ihres Nachthemds, das einst seiner Minnie gehört hatte. Er war in seinen langen Unterhosen ins Bett geschlüpft, denn sie spürte weder seine Gürtelschnalle, noch seine rauhe Hose. Was sich an ihr Hinterteil reckte war warm und hart. Olivias medizinisches Wissen erkannte seine Identität und seine Bestimmung, doch dieser Augenblick war ihre erste körperliche Begegnung mit dem Ding.
Sie zog den Atem scharf ein, als Danahers Arm ihre Mitte umfing und sie näher an sich zog.
»Schlafen Sie endlich, Doc. Wir haben es beide bitter nötig.«
Sie blieb eine Ewigkeit stocksteif liegen – bis Danahers gleichmäßige Atemzüge an ihre Schläfen hauchten. Er hatte wohl nicht die Absicht, bis zum Äußersten zu gehen und sie völlig zu kompromittieren. Sollte in Olivias Erleichterung auch nur ein Hauch von Enttäuschung mitschwingen, schrieb sie das ihrem Zustand völliger Erschöpfung zu. Sie war eine sachliche, kultivierte, gebildete Frau von sechsundzwanzig Jahren. Sündige Gedanken im Zusammenhang mit Gabriel Danaher waren lediglich Auswüchse dieser völlig unzumutbaren Situation, vielleicht auch Nachwirkungen der Stunden unschicklicher Nähe im Schneesturm. Sobald sie wieder in ihrer eigenen Welt war, würden sie vergessen sein.
Unvermutet tauchte Katys Bild vor ihr auf, die ihrem Vater einen Kuß auf die Wange drückte, und ihre Wut gegen Danaher flaute ein wenig ab. Der Kerl hatte ja gute Seiten, aber im Großen und Ganzen war er ein engstirniger Philister, der ins Mittelalter gehörte. Er war keinesfalls der Typ Mann, zu dem sie sich hingezogen fühlte.
Als der Schlaf sie übermannte, nahm ihr Bewußtsein nur noch die Schwere von Danahers Arm um ihre Mitte wahr, die Wärme seiner Brust in ihrem Rücken – und endlich versank sie in wohltuende Leere.
Olivia wachte auf, weil sie kalte Füße hatte. Laken und Decken waren um Danahers Füße gewickelt, ihre Füße und Beine waren unbedeckt – sehr unbedeckt; das Nachthemd hatte sich bis zu den Knien hochgeschoben. Um die Süße des Schlafes noch ein wenig zu genießen, obgleich ein heller Sonnenstrahl durch einen Schlitz im Vorhang quer übers Bett fiel, schob Olivia ihre Beine unter einen Zipfel der Bettdecke und war im Begriff, wieder einzuschlafen, als sie hinter dem Vorhang ein Rascheln wahrnahm.
»Sie ist weg«, hörte sie ein lautes Flüstern.
»Prima!« antwortete ein noch lauteres Flüstern. »Hoffentlich hat sie den armen Murdoch nicht wieder mitgenommen!«
»Pssst! Weck Pa nicht auf. Er schläft noch.«
»Die Sonne scheint aber schon seit einer Stunde!«
»Er war sehr müde. Wahrscheinlich schläft er bis Mittag.«
»Dann reitet er wenigstens heute nicht mehr hinter der dummen Kuh her.«
»Glaubst du wirklich, sie ist so dämlich, um über die Schlammlawine zu klettern?«
»Sie kommt aus dem Osten«, war die Antwort, als genüge das, um den Grad von Olivias Dummheit zu erklären.
»Vielleicht ist sie auf dem Klo oder im Hühnerstall.«
Füße tappten leise zum Fenster. »Ich sehe sie nirgends.«
»Vielleicht sollen wir Pa wecken und es ihm sagen.« Das Wispern hatte nun einen besorgten Unterton. »Sie könnte umkommen.«
»So dämlich ist sie nun auch wieder nicht. Beim ersten Sturz, bei dem sie sich das Knie aufschlägt, kommt sie wieder zurück. Willst du Kaffee?« Der Henkel der Kaffeekanne quietschte.
»Pa will nicht, daß wir Kaffee trinken. Er sagt, wir wachsen nicht und bekommen braune Zähne.«
»Pa schläft. Und ich brauch was Warmes im Bauch, bevor ich rausgehe und mir Murdochs Hinterlauf ansehe.«
»Pa sagt, wir dürfen noch nicht raus.«
»Du bist genau so schlimm wie diese Frau. Mach das, tu das nicht. Wenn ich noch länger hier eingesperrt bin, drehe ich durch.«
»Du kannst nicht nur Kaffee zum Frühstück trinken. Ich streich dir ein Brötchen mit Bratenfett.«
Danaher gab einen lauten Schnarchton von sich. Auf der anderen Seite des Vorhangs wurde es mucksmäuschenstill.
»Jetzt hast du Pa aufgeweckt.«
»Genau. Er will auch frühstücken. Und ich wette, er verbietet dir, draußen rumzurennen.«
Die Stimmen näherten sich, und Olivia wurde plötzlich bewußt, daß sie und Danaher, so unschuldig die Nacht auch gewesen sein mochte, sich in einer höchst kompromittierenden Lage befanden – gewiß kein Anblick für zwei unschuldige Kinder. Das Nachthemd war immer noch um ihre Beine gewickelt, und Danaher hatte ein in lange Unterhosen gehülltes Bein besitzergreifend über sie gelegt. Sie versuchte,
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