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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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Richtig?«
    Zum Glück erwartete er keine Antwort von mir.
    Cash Daddy fuhr mit den Händen unter sein T-Shirt und begann rhythmisch auf seinen Bauch zu trommeln.
    »Ich bin sehr hungrig«, verkündete er. »Ich glaube, ich habe letzte Nacht nicht mehr als fünf Minuten geschlafen. Moskitos haben mir die Nationalhymne ins Ohr gesungen. Ich werde mich beim Polizeipräsidenten beschweren. Sie hätten in meinem Zimmer einen Ventilator aufstellen müssen.«
    Nach allem, was ich von den Zellen in unseren Polizeirevieren wusste, waren Pferdeställe komfortabler ausgestattet. Cash Daddy reckte den Oberkiefer zum Nordpol, den Unterkiefer zum Südpol und gähnte. In dem widerlichen Gestank, der seinem Mund entstieg, mussten Millionen Moskitos ihr Leben gelassen haben. Zähneputzen war offenbar das Letzte, was er an diesem Morgen im Sinn gehabt hatte.
    »Ich bin sicher, ganz Nigeria hat versucht mich zu erreichen«, sagte er und schaltete das Handy an, das Protocol Officer ihm wiedergegeben hatte.
    Er riss den Mund abermals zu einem Gähnen auf. Dann spähte er durch die getönte Scheibe. Uns kam ein blauer Bentley entgegen.
    »Ist das nicht World Bank?«, fragte er aufgeregt.
    Protocol Officer hatte den Wagen ebenfalls gesehen und bestätigte seine Vermutung.
    »Lange her«, sagte Cash Daddy. »Anhalten!«
    Der Fahrer hielt. Mitten auf der Straße. Er ließ Cash Daddys Fenster herunter, und Cash Daddy reckte den Kopf hinaus. World Bank erkannte seinen Freund, und sein Wagen kam unmittelbar neben uns zum Stehen. Ebenfalls mitten auf der Straße.
    World Bank begrüßte seinen Freund.
    »Eure Exzellenz! Lange nicht gesehen!«
    »Mein Bruder«, sagte Cash Daddy. »Du weißt, dass ich keine Schuld habe. Der Wahlkampf hält mich total in Atem. Ich sitze Tag für Tag in irgendwelchen Besprechungen.«
    »Wie gut, dass ich dich jetzt getroffen habe. Demnächst werden wir Anträge ausfüllen und lauter Etiketteregeln einhalten müssen, ehe wir zu dir vorgelassen werden.«
    »So geht’s im Leben«, erwiderte Cash Daddy entschuldigend. »Von einer Stufe zur nächsten. Aber wir werden’s schon überleben. Wie läuft’s bei dir?«
    »Cash Daddy, bitte merk dir das: Im August gebe ich ein Fest zur goldenen Hochzeit meiner Eltern. Das wird ein großes Ding! Selbst meine Schwester aus Japan kommt mit ihrer Familie. Wir nutzen die Gelegenheit zu einem Familientreffen. Das letzte Mal, dass wir uns alle gesehen haben, war bei der Beerdigung meines Vaters. Zu schade, dass er seine goldene Hochzeit nicht mehr miterleben kann.«
    Auf der geschäftigen Straße, deren Fahrbahn durch Erosion und Müll noch verengt war, hatten sich mittlerweile in beiden Richtungen lange Schlangen gebildet. Ohne Murren warteten die Fahrer das ab, was sie für einen kurzen Schwatz hielten. Als die Sache länger dauerte, als annehmbar war, begannen viele zu hupen. Einige streckten die Köpfe aus den Fenstern und ergingen sich in wüsten Beschimpfungen. Cash Daddy und World Bank kümmerte das nicht. Sie verabschiedeten sich erst, als ihr Gespräch zu seinem natürlichen Ende gekommen war.
    »Verbrecher!«, schrie einer. »419er! Macht die Straße frei! Ist sie etwa mit eurem schmutzigen Geld gebaut worden?«
    Der erzürnte Fahrer schlug mit der Faust auf die Karosserie unseres Jaguars . Protocol Officer nahm die Aktion persönlich. Er fluchte laut und ließ seine Scheibe herunter.
    »Einfach ignorieren«, befahl Cash Daddy ruhig, wie der Elefant, der gerade erfahren hatte, dass eine Spinne ihm den Krieg erklären wollte. »Lass gut sein. Sein Problem ist bloß die Armut. Siehst du nicht, was für ein Auto er fährt? Wenn du in so einem Auto sitzen würdest, wärst du dann nicht auch wütend? Deswegen umgebe ich mich nicht gerne mit armen Leuten. Sie suchen ständig nach irgendwem, der an ihren Problemen schuld ist.«
    Widerstrebend fuhr Protocol Officer sein Fenster wieder hoch. Cash Daddy hob mahnend den Zeigefinger und sah mich an.
    »Aber das heißt nicht, dass du den Kontakt zu allen armen Leuten abbrechen sollst, die du kennst«, sagte er. »Sie müssen dir nicht sehr nahestehen, aber es ist gut, sie sich warmzuhalten, weil sie gelegentlich nützlich sein können. Ich zum Beispiel kenne jede Menge Chili- und Tomatenverkäufer, die, wenn ich will, jederzeit einen Aufruhr für mich anzetteln können.«
    Eine Weile fuhren wir schweigend weiter. Aber nicht sehr lange.
    »Wie war’s in der amerikanischen Botschaft?«
    »Gestern habe ich mein Visum abgeholt.«
    Ich

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