Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Azuka zum Beispiel trug einen Seidensmoking mit roter Fliege. Er verbrachte während der Feier viel Zeit an seinem Handy. Ihm war deutlich anzusehen, dass sein iranischer Mugu gut für sein Auskommen sorgte.
Als es Zeit war für den Tanz des Hochzeitspaares, stellten wir uns alle um die Tanzfläche, um zu klatschen und ihnen frische Geldscheine auf die Stirn zu kleben. In einer ihrer Sensibilisierungskampagnen der letzten Zeit hatte die Regierung unter anderem diese Sitte dafür verantwortlich gemacht, dass die Nairascheine so schnell unansehnlich wurden. Anstatt den Brautleuten das Geld auf die Stirn zu legen und beim Tanzen darauf herumzutrampeln, sollten sie ihre Geldgeschenke im Umschlag überreichen, riet man den Leuten. Gewiss war niemand in Nigeria über den erbärmlichen Zustand unserer Nairascheine glücklich, doch wer wollte die vielen jungen Männer enttäuschen, die sich auf Gelegenheiten wie diese freuten, um mit den hartverdienten Früchten ihrer Arbeit zu prahlen? Ich kramte das Bündel Scheine hervor, das ich für diesen Anlass eingesteckt hatte. Einige andere von unseren Tischen wickelten Dollarbündel aus.
Als der Hochzeitstanz vorbei war und das Brautpaar sich fast schon wieder setzen wollte, erhob sich Cash Daddy von seinem Platz.
Die Band sah, dass er auf die Tanzfläche zuging, und stimmte rasch ein Lied an, dessen Text ihnen erlaubte, seinen Namen in die Zeilen einzuweben. In der Ahnung, dass etwas Gutes zu erwarten war, gab sich das Paar erneut munter dem Tanz hin.
Cash Daddy hatte es nicht eilig. Er schritt gemächlich auf das Paar zu, gefolgt von einem seiner Otimkpu, der eine der kleineren Ghana-must-go -Taschen in der Hand hielt. In diese wasserdichten Plastiktaschen hatten die ghanaischen Wirtschaftsflüchtlinge in den achtziger Jahren ihre Habe gepackt, als die nigerianische Regierung sie des Landes verwiesen hatte. Anstatt die Naira-, Dollar- und Pfundnoten einzeln an ihre Stirnen zu kleben, reichte der Otimkpu im dunklen Anzug Cash Daddy ein Bündel nach dem anderen aus der Tasche. Cash Daddy riss die Papierbanderolen ab, teilte die Bündel jeweils in drei und warf sie lässig portionsweise in die Luft, so dass die Scheine auf das Paar niederregneten wie ein Schneegestöber.
Vor Staunen wurde es still im Saal.
»Widerlich«, zischte leise eine ganz und gar nicht begeisterte Stimme dicht an meinem Ohr.
Ich schaute mich um. Die Brautjungfer, die mir am nächsten saß, hatte ihren Stuhl so gedreht, dass sie die Tanzfläche sehen konnte, und betrachtete die Darbietung mit Abscheu. Ich wollte mich schon wieder abwenden, als mir etwas auffiel. Ich sah noch einmal genauer hin. Das Mädchen war ziemlich hübsch. Ihre Haut schimmerte wie makelloses Ebenholz. Und sie wirkte unschuldig. Ich muss mich im Laufe des Tanzes noch mindestens fünfmal zu ihr umgedreht haben.
Als ich mich das letzte Mal umdrehte, sah sie mich bereits an.
»Hallo«, sagte sie.
»Hi«, antwortete ich und wandte mich ab, verlegen wie ein Idiot.
»Bist du ein Freund der Braut oder des Bräutigams?«, fragte sie von der Seite.
Ich drehte mich um.
»Des Bräutigams.«
Es entstand eine peinliche Pause.
»Ich heiße Merit. Und du?«
»Ich heiße Kingsley. Nett, dich kennenzulernen.«
Wir schüttelten uns die Hand. Ihre Handfläche fühlte sich angenehm an.
»Kingsley? Das ist ja ein interessanter Name. Ist das ein Igbo-Name oder ein englischer?«
Was für eine dumme Frage, dachte ich. Trotzdem ging ich darauf ein. Denn welches Recht hatte ich, kleinlich zu sein, wo ich selbst bei Smalltalk immer vollkommen versagte?
»Das ist ein englischer Name.«
»Und weshalb erlebe ich so selten, dass jemand so heißt, der kein Igbo ist?«
»Öhh, …«
»Eine meiner Cousinen, die in Amerika aufgewachsen ist, hat erzählt, dass alle Kingsleys, die sie da kennengelernt hat, Igbos waren. Sie hat dauernd gefragt, was der Name auf Englisch bedeutet, ohne zu ahnen, dass er ja eigentlich schon Englisch ist. Und du, kennst du auch nur einen Nicht-Nigerianer – oder hast von einem gehört –, der Kingsley heißt?« Ich lachte. Das Mädchen hatte recht. Ich hatte tatsächlich noch nie jemanden gekannt, der Kingsley hieß und kein Nigerianer – vielmehr kein Igbo – war. Wir schienen den Namen gekidnappt zu haben.
»Es gibt eine ganze Reihe solcher Namen«, fuhr sie fort.
»Innocent, zum Beispiel, … oder Goodluck … oder Merit.« Wir lachten beide gleichzeitig. Ich wollte noch »Boniface« zu der Liste hinzufügen, doch
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