Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
deswegen Sorgen ohne Ende mache.« Ihre Stimme wurde weniger sanft. »So wie es jetzt ist, kann ich niemals glücklich sein, wenn ich an dich denke. Nicht eine Minute. Sondern mich nur sorgen und ängstigen. Und jetzt, wo Boniface auch noch in die Politik geht, darf ich gar nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn du …«
»Mama, ich habe es dir doch gesagt, ich habe mit dem Wahlkampf nichts zu tun. Ich arbeite nur im Büro, und für die Wahlen hat Cash … hat Onkel Boniface ganz andere Leute.«
Sie zwang sich, ihre Augen so weit wie möglich aufzureißen. Ihr Blick schien mich zu fragen, ob ich wirklich dächte, dass sie mir noch irgendetwas von dem glaubte, was ich ihr erzählte.
»Kings, bitte, … Dein Vater wäre todunglücklich, wenn er dich so sähe.«
Ich knallte beim Hinausgehen die Tür hinter mir zu.
Mein Wagen stand neben Mister Nwudes blauem Volkswagen . Dem treuen Gefährt fehlte ein Hinterreifen, und man hatte ihn durch einen Gasbetonstein ersetzt. Um meinen Jeep hatte sich eine Kinderschar versammelt. Sie strichen über die Karosserie und spähten in die roten Rücklichter. Ein Junge stand neben der Fahrertür, brummte wie ein Motor und tat so, als wäre der platte Fußball in seinen Händen das Lenkrad.
Leise trat ich in das Treppenhaus zurück und sah ihnen zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur einer von ihnen als Erwachsener ein Auto wie dieses besitzen würde, war gleich null. Null. Ich war einer von den wenigen, die Glück hatten. Und meine Kinder würden von Geburt an im Geld schwimmen. Ihnen würden die guten Dinge im Leben selbstverständlich sein.
Wobei man leider sagen musste, dass mit den Mädchen, mit denen ich mich zurzeit abgab, die Aussichten auf Heirat und Kinder eher schlecht standen.
39
Es sah aus wie beim Karneval. In einem bunten Durcheinander tummelten sich Elegante und Ärmliche, Runzlige und Jugendliche, Biedere und Zwielichtige. Viele von Protocol Officers Hochzeitsgästen sahen aus, als wären sie ohne Einladung aufgetaucht. Vermutlich hatten sie vorher weder Braut noch Bräutigam je gesehen.
Für die Bewertung der Hochzeit jedoch war entscheidend, wie es den Gastgebern gelang, diese unerwarteten Gäste zu integrieren. Wenn das Essen ausging, hatte die Hochzeit nichts getaugt. Wenn auch die späten Gäste, die wie überall erst erschienen, nachdem die Braut und der Bräutigam schon in die ewige Glückseligkeit aufgebrochen waren, noch etwas zu essen bekamen, dann war die Hochzeit ein Erfolg.
Im ersten Augenblick war ich verblüfft, als ich das orangefarbene Spruchband entdeckte, das von einem Ende des Saals zum anderen gespannt war: nwaeze und nkechi . Natürlich konnte auf seiner Geburtsurkunde unmöglich »Protocol Officer« stehen, aber ich war nie auf die Idee gekommen, dass er tatsächlich einen Namen besaß und ein Leben führte, das nicht auf irgendeine Weise mit Cash Daddy und dessen Wohlergehen verbunden war.
Drei Stunden nach Beginn der Feierlichkeiten, gleich nachdem die Braut ihrem Ehemann kniend das erste zeremonielle Mahl verabreicht hatte – ein Stück Hochzeitstorte –, vermeldete der Zeremonienmeister einen unvorhergesehenen Programmpunkt.
»Meine Damen und Herren«, rief er. »Soeben ist ein ganz besonderer Gast eingetroffen, und ich möchte, dass wir ihn gebührend in unserer Mitte begrüßen. Meine Damen und Herren, bitte heißen Sie den Mann willkommen, der diese Hochzeit ausgerichtet hat. Chief Boniface Mbamalu, auch bekannt als Cash Daddy.«
Die Damen und Herren hoben die Hände und applaudierten. Cash Daddy schritt langsam in den Saal, begleitet von seinen Otimkpu.
»Cash Daddy, bitte erweisen Sie uns die Ehre, am hohen Tisch Platz zu nehmen«, beendete der Zeremonienmeister seine Rede.
Zwei Frauen geleiteten Cash Daddy an den Tisch, an dem die Brautleute mit beiden Elternpaaren saßen. Die Otimpku folgten und stellten sich hinter ihm auf.
Wir übrigen Mitarbeiter, euphemistisch als »besondere Gäste des Bräutigams« etikettiert, saßen an eigenen Tischen unmittelbar neben den zahllosen Brautjungfern. Abgesehen von den Kollegen aus dem CIA saßen an diesen Tischen Leute, die früher für Cash Daddy gearbeitet und mittlerweile eigene Firmen gegründet hatten. Sie betrachteten Cash Daddy immer noch als ihren Paten und erwiesen ihm bei allen passenden Gelegenheiten – wie etwa jetzt – die Ehre. In meinem cremebeigen Anzug und den cognacbraunen Schuhen war ich mit Abstand der am konservativsten Gekleidete unter ihnen.
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