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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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Bestätigung erteilte, dass Osakwe noch am Leben und damit pensionsberechtigt war. Bald nachdem sie die Heimfahrt angetreten hatten, mussten die Kinder jedoch feststellen, dass ihr Vater von ihnen gegangen war.
    »Was die Suche nach fachfremden Stellen betrifft«, fuhr mein Vater fort, »kann ich verstehen, warum du dich zu diesem Schritt entschlossen hast. Doch darf man niemals, nur weil es die Umstände zu diktieren scheinen, endgültige Entscheidungen treffen. Ganz gleich, was du für eine Stelle findest … mir ist alles recht, solange du dir darüber im Klaren bist, dass sie nur vorläufig ist. Du bist und bleibst ein Chemie-Ingenieur.«
    »Ja, Papa.«
    »Wann willst du fahren?«
    »So bald wie möglich. Ich wollte nur noch abwarten, was du mir zu sagen hast.«
    Er hielt inne und dachte nach.
    »Du kannst gleich losgehen und Tante Dimma sagen, dass du zu ihr kommst.«
    »Danke, Papa«, sagte ich mit einem Lächeln.
    »Zieh dich doch einfach schnell an, dann können wir zusammen aufbrechen«, schlug meine Mutter vor.
    Aufgeregt ging ich kurz unter die Dusche und zog mich an. Sie warteten im Wohnzimmer. An der Ecke, wo unsere Straße in die Hauptstraße mündete, blieben wir stehen und warteten. Ich betrachtete Mutter, wie sie neben ihrem hoch aufgerichteten Mann stand. Stolz strahlte aus ihrem Gesicht. Auch wenn sein Anzug an den Handgelenken und den Knöcheln zu viel Haut zeigte, war nicht zu übersehen, dass er ein vornehmer Mann war. Mein Vater sah immer aus wie ein Universitätsprofessor.
    »O Gott!«, rief meine Mutter plötzlich aus.
    »Was ist los?«
    »Ich habe was vergessen. Die Frau von Mister Nwude hat gesagt, sie wollte mir ein paar Kleider von sich zum Flicken mitgeben. Ich hatte versprochen, Chikaodinaka in ihre Wohnung hochzuschicken, um die Sachen abzuholen, bevor ich aus dem Haus gehen würde.«
    »Du solltest solche Arbeiten nicht mehr annehmen«, sagte mein Vater. »Wenn die Nachbarn ihre Kleider flicken lassen müssen, können sie zu einem von diesen Schneidern gehen, die mit der Nähmaschine auf dem Kopf durch die Straßen laufen.«
    »Es ist schwer, unsere Nachbarn abzuweisen«, antwortete meine Mutter.
    »Nachbarn oder nicht, das ist mir gleich. Du bist Modedesignerin und keine Obiama.«
    Mein Vater wirkte recht aufgebracht. Ich kannte diesen utopischen Ton in der Stimme.
    »Nigeria ist ein Land, in dem Milch und Honig fließen«, hatte er einmal zu einem Kollegen gesagt, der nach Kanada umsiedelte, weil das Gras dort grüner war, und der versucht hatte, ihn davon zu überzeugen, dass er mitgehen sollte. »Bloß dass die Milch in Flaschen ist und der Honig in Gläsern. Unser Land braucht Menschen wie uns, um den anderen zu zeigen, wie sie drankommen.«
    Weil er dieser Ansicht war, hatte mein Vater die besten Jahre seines Lebens für den Staatsdienst hingegeben. Heute, als Pensionär mit ruinierter Gesundheit, war ihm davon nichts geblieben als die zentral gelegene Erdgeschosswohnung mit drei Zimmern, in der wir zur Miete wohnten. Und der Fünf-Zimmer-Bungalow in seinem Dorf, der noch immer seiner Fertigstellung harrte. Es war der Traum eines jeden männlichen Igbo, in seiner Heimat ein Haus zu besitzen, einen Platz, an dem er sich von dem Lärm und Getriebe der Großstadt zurückziehen konnte, um seine letzten Jahre zu genießen; einen Ort, an dem er Gäste unterbringen konnte, wenn seine Töchter ihre traditionellen Hochzeiten feierten; einen Ort, an dem seine Angehörigen die Trauernden empfangen konnten, die zu seiner Beerdigung anreisten. Doch dieser Traum wurde in das Reich ferner Vergangenheit verbannt, als ich meine Zulassung zum Studium an der Universität bekam.
    Schließlich entdeckte ich ein Taxi und winkte es heran. Das Auto stieß eine graue Abgaswolke aus, als es bremste, und die Leute, die hinten saßen, rückten zusammen, um Platz zu machen. Ich hielt die Tür auf, während mein Vater einstieg.
    »Pensionsamt«, beschied ich dem Fahrer.
    »Tschüss«, sagte meine Mutter, als ich die Tür zuknallte. Er winkte. Ich winkte zurück. Meine Mutter winkte, bis das Taxi nicht mehr zu sehen war.
    Sie setzte ihren Weg in die entgegengesetzte Richtung fort, und ich lief drei Straßen weiter ins nächste BusinessCenter. Dort stellte ich mich als Neunter in die Schlange vor dem Telefon. Es hätte alles schneller gehen können, wäre der junge Mann drei Plätze vor mir nicht gewesen, der seinen Bruder in Deutschland davon zu überzeugen suchte, wie viel sie durchmachen mussten, um den

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